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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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bei denen dieses Wasserzeichen – neben dem Siegel und dem Federstrich – ein Merkmal ihrer Echtheit war.
    Auch wenn solche Wasserzeichen erst seit Kurzem in Gebrauch waren, musste man davon ausgehen, dass früher oder später jemand versuchen würde, sie zu fälschen – und dem musste unter allen Umständen vorgebeugt werden.
    Vier Wächter – riesenhafte, bärtige Männer aus der Warägergarde des Kaisers – hatten Li und Christos in ihre Mitte genommen und begleiteten sie auf ihrem Weg durch den labyrinthischen Palast, der immer wieder erweitert worden war. Nie hatte Li ein ähnlich großes Gebäude betreten. Es gab einen eigenen Hafen, von dem aus der Kaiser für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Mauern der Stadt einem Angriff einmal doch nicht standhielten, sofort auf ein Schiff fliehen konnte. Ragnar der Weitgereiste hatte ihr außerdem erzählt, dass eine direkte Verbindung zur Hagia Sophia bestand – und eine zum Hippodrom. Denn sowohl zum Gottesdienst als auch bei den Pferderennen zeigte sich der sonst entrückte Kaiser dem Volk in einer Nähe, die auch ihre Gefahren mit sich brachte. Wenn etwa ein Tumult unter den schätzungsweise hunderttausend Zuschauern im Hippodrom ausbrach, vermochte keine noch so tapfere Leibwache der Welt ihren Herrscher zu schützen.
    Die Wachen führten Li und Christos in einen hohen Raum, dessen Wände mit kunstvollen Mosaiken verziert waren, die allesamt Motive aus der Bibel und aus dem Leben Jesu zeigten. Li war nicht zum ersten Mal in diesem Raum, in dem Petros Makarios, seines Zeichens erster Logothet des Kaisers, Schreibarbeiten zu erledigen pflegte und minderwichtige Gäste empfing, denen kein diplomatischer Rang zukam. Manchmal traf er hier in aller Abgeschiedenheit und ohne lästige Blicke Unbefugter auch Gäste, mit denen sich weder er noch der Kaiser je öffentlich gezeigt hätten.
    Petros Makarios saß hinter einem reich verzierten Tisch und unterzeichnete gerade ein Dokument. Dann steckte er den Federkiel in den goldenen Halter und ließ Li zunächst warten, bis er sich die Dokumente, die er soeben signiert hatte, noch einmal durchgelesen hatte.
    Li wartete geduldig. Ihr war klar, dass sie hier, in diesen Mauern, eine unbedeutende Rolle spielte. Sie war eine Handwerkerin mit einem Talent, das in diesem Teil der Welt selten bis unbekannt war – und sie besaß in Ragnar dem Weitgereisten einen Förderer, der ihr die schweren Türen des Palastes zu öffnen gewusst hatte.Achte den Diener, der sich unentbehrlich zu machen vermag – denn man wird ihn bald den Herrn nennen, so hatte Li eine der Weisheiten in Erinnerung, die ihr Vater bei verschiedenen Gelegenheiten zitierte, wobei ihr entfallen war, von welchem der ehrenwerten Weisheitslehrer sie nun stammte. Aber ihr Vergessen erklärte sich wohl dadurch, dass ihr der Satz damals, als sie noch in Xi Xia gelebt hatten, über die Maßen absurd vorgekommen war.
    Inzwischen hatte sie die tiefe Wahrheit darin längst erfasst. Ragnar der Weitgereiste war ein Beispiel für seine Richtigkeit. Als ehemals einfacher Wächter und Gardekrieger hatte er durch seinen Dienst bis heute einen vergleichsweise leichten Zugang zu höchsten Stellen des Palastes erhalten, wie ihn sich viele von Geburt an Höhergestellte sicherlich wünschten. Li war gewillt, zumindest in dieser Hinsicht nicht nur von der Klugheit des Normannen zu profitieren, sondern auch von ihm zu lernen.
    Endlich blickte Petros Makarios auf.
    »Seid gegrüßt, erhabener Herr«, sagte Li und hielt den Kopf gesenkt. Petros Makarios blickte kurz zu Christos hinüber. Dass Li bei solchen Gelegenheiten von einem Blinden begleitet wurde, daran hatte er sich gewöhnt.
    Er machte ein Zeichen, mit dem er ihr bedeutete, näher zu treten. Christos folgte ihr. Es war erstaunlich, wie gut der Blinde die Orientierung behielt. Niemand, der in seine Augen sah, konnte bezweifeln, wirklich einen Blinden vor sich zu haben. Aber wenn man beobachtete, wie er neben Li herlief und sich anscheinend nur nach dem Klang ihrer Schritte richtete, konnte man durchaus auf andere Gedanken kommen.
    Mit erstaunlicher Sicherheit vermochte er auch, Entfernungen abzuschätzen. Li hatte nie erlebt, dass der Blinde einmal irgendwo ungeschickt angestoßen wäre.
    Sie traten beide vor. Christos stellte seine Bündel auf den großen Tisch, an dem der Logothet saß, dessen Platz er offenbar genau abgeschätzt hatte.
    »Ich hoffe, dass die Qualität der Bogen seine kaiserliche Majestät

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