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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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richtete Li sich auf. Sie sah in seine grünen Augen und fühlte warme, wohlige Schauer ihren gesamten Körper durchfluten. Sie strich sich das zerzauste Haar zurück und legte den Kopf dann an seine Schulter. Als sie sich an ihn schmiegte, hörte sie sein Herz schlagen, gleichmäßig und urvertraut.
    Nichts brauchte gesagt zu werden, denn es verband sie ein vollkommenes Einvernehmen – eine Harmonie der Gedanken und Gefühle, wie Li sie nie für möglich gehalten hätte.
    Stunden später weckte sie ein Klopfen an der Tür. Li schrak hoch. Dann begann sie, sich in fieberhafter Eile anzukleiden, während er ihr wohlgefällig dabei zusah.
    »So beeil dich doch auch!«, forderte sie ihn auf, nachdem er keine Anstalten machte, irgendeines seiner Kleidungsstücke anzulegen. »Das wird Christos sein! Die Spiele im Hippodrom müssen längst vorbei sein!«
    »Dann schick ihn nach Hause – oder ist jetzt, in den letzten Stunden des Tages, noch irgendetwas in der Werkstatt zu tun, was nicht bis morgen warten könnte?«
    »Und ob!«
    Arnulf lachte. »Ach, Li, dann wird irgendeinem Logotheten am Hof des Kaisers das Schreibmaterial etwas früher ausgehen als erwartet, und er fragt sich vielleicht einmal, ob jedes Schriftstück, das da hinter den dicken Palastmauern angefertigt wird, wirklich notwendig ist!«
    »Sprich nicht so laut, dass uns die ganze Straße hört!«
    »Warum? Ist ein Ritter und Edelmann im Lehensdienst des Kaisers Otto von Magdeburg kein standesgemäßer Umgang für eine fleißige Papierkrämerin wie dich?«
    Sie sah ihn an und bemerkte: »Wenn die Gepflogenheiten, nach denen sich der Adel gegenüber den einfachen Leuten verhält, im Regnum von Kaiser Otto nicht völlig andere sind als hier, dann wäre das höchstens umgekehrt der Fall!«
    Bevor sie aus dem Raum gehen konnte, war er aufgestanden und hielt sie am Arm fest – sie ließ es gerne geschehen. Die bloße Berührung genügte, um von Neuem ein heißes Begehren in ihr zu entfachen.
    »Ich möchte, dass du eines weißt, Li …«
    »Was?«
    »Dass mir die Dinge, von denen du eben gesprochen hast, ganz gleichgültig sind.«
    Ihre Blicke verschmolzen wieder miteinander, während es an der Tür abermals klopfte.
    »Daran zweifle ich nicht, Arnulf!«, sagte sie.
    Die Stimme von Christos rief auf die ihr allzu gut bekannte Weise ihren Griechen-Namen. »Evangelia! Seid Ihr da?«
    Arnulf zog sie an sich und küsste sie. Dann löste sie sich endgültig von ihm und lief rasch die Treppe hinunter.
    Als Li die Tür öffnete, stand wie erwartet der blinde Christos davor.
    »Die Spiele sind zu Ende – aber ich rechne nicht damit, dass von den anderen heute noch irgendeiner hier zum Arbeiten auftaucht«, erklärte der Blinde.
    »Das ist nicht so schlimm«, sagte Li – und auf Christos’ Stirn erschien eine Falte, die wohl seine Verwunderung über den Sinneswandel seiner Herrin in dieser Sache zum Ausdruck brachte.
    »Sonst legt Ihr immer Wert darauf, dass es sofort nach dem Ende der Spiele mit der Arbeit weitergeht«, sagte er. »Und es ist ja noch viel zu tun. Wenn die Blätter mit dem Goldfadenrand bis morgen Abend …«
    Li machte ein paar schnelle Schritte. Sie öffnete die Geldbörse, die sie auf dem Tisch abgelegt hatte, nahm eine Münze heraus und drückte sie Christos in die Hand. »Ich brauche deine Dienste heute nicht mehr«, sagte sie, »aber das soll dein Schaden nicht sein.«
    »Wie Ihr meint, Herrin.«
    »Morgen Früh geht es hier weiter!«
    »Es ist nur so …«
    »Ja?«
    »Ach, nichts«, meinte Christos. »Es steht mir nicht zu, Euch zu fragen, warum Ihr keine Schuhe tragt!«
    Li ging wieder hinauf in ihre Kammer. Dort hatte sich Arnulf inzwischen die Beinkleider übergestreift. Er stand mit freiem Oberkörper am Fenster und schob vorsichtig die Alabasterblende etwas zur Seite. Offenbar beobachtete er von seinem Standpunkt aus, wie Christos die Straße entlangging.
    Sie schauten einander an, und allein die Erinnerung an das Geschehene ließ ihre Sehnsucht erneut aufkeimen. Vielleicht blieb ihnen nicht mehr als diese eine Begegnung. Wer konnte schon sagen, wann die Umstände sie wieder auseinanderreißen würden und ob sie sich je wiedersahen.
    Er ging auf sie zu, strich ihr über das Haar und die Schultern, und sie schmiegte sich an ihn. »Mit so zerzausten Haaren sollte sich eine Herrin nur an der Tür zeigen, wenn sie sicher weiß, dass es ein Blinder ist, der klopft!«, flüsterte er.
    »Ja, aber ich hätte Schuhe anziehen sollen!«,

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