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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Hand. Es war in Leder gebunden, und zweifellos bestanden die Seiten aus Papier, denn sie waren viel zu dünn für Pergament oder Papyrus.
    »Setzt euch!«, befahl der ältere Toruk.
    Die Gefangenen gehorchten, und der alte Mann verlangte von den Wachen, dass sie das Zelt verließen. Sie waren erst etwas irritiert. Aber nachdem der ältere Toruk sie ein zweites Mal aufforderte, gingen sie schließlich hinaus.
    »Mein Sohn sagt, ihr beherrscht die Kunst des Papiermachens«, sagte der ältere Toruk dann.
    Wang neigte den Kopf, wie er es gegenüber hohen Würdenträgern oder Beamten des Herrn von Xi Xia gewöhnt war, und auch Li und Gao hielten den Blick gesenkt.
    »So ist es, Herr«, sagte Wang. »Ich bin Meister dieser Kunst, aber meine Tochter steht mir inzwischen in nichts nach, und auch mein Geselle Gao versteht sich darauf, Papier von allerhöchster Qualität zu schaffen.«
    Der ältere Toruk hob die Augenbrauen. »Hast du deine Tochter dieses Handwerk gelehrt?«
    Wang verneigte sich tief. »Ja, Herr.«
    »Es ist ungewöhnlich, dass ein Vater seine Tochter solche Künste lehrt anstatt die Dinge, die eine Frau wissen sollte, um gut verheiratet zu werden.«
    »Es ist ja nicht so, dass sie diese Dinge nicht ebenfalls könnte«, antwortete Wang. »Aber keiner meiner Söhne lebt mehr, und ich wollte nicht, dass eines Tages meine Kunst mit mir stirbt, ohne dass sie meinen Nachfahren noch von Nutzen sein kann. Und davon abgesehen ist dieses Wissen das einzige nennenswerte Gut, das ich vererben kann.«
    »Es ehrt dich, dass du so weit in die Zukunft denkst – wenngleich das in deiner jetzigen Lage sinnlos erscheinen mag, aber andererseits werden Papiermacher in Ländern wie Chorasan und Persien dringend gesucht, sodass du einst gewiss dein Auskommen haben wirst, Han-Mann!« Der ältere Toruk beugte sich vor und fuhr dann fort: »Hast du gewusst, dass es in Buchara und Samarkand eigene Viertel gibt, in denen Leute mit schmalen Augen leben? Leute wie ihr?«
    »Man erzählt viele Dinge über die westlichen Länder«, sagte Wang. »Und es ist schwer zu beurteilen, was davon stimmt und was nur der Legende entspringt.«
    »Einer Legende nach hat es vor zweieinhalb oder drei Jahrhunderten eine Schlacht zwischen den Arabern und den Truppen des Mittleren Reiches gegeben, bei der die Soldaten des Himmelssohnes eine verheerende Niederlage erlitten und all ihre westlichen Gebiete verloren. Nur so konnten sich wohl auch diese verfluchten Tanguten, die sich Kaiser nennen, von elenden Vasallen zu unabhängigen Herrschern emporschwingen. Damals sollen mit den Kriegsgefangenen die ersten Papiermacher nach Samarkand und Buchara gekommen sein, wo man fortan mehr Bücher geschrieben hat, als ein einzelner Mensch in zwei Leben zu lesen vermag.« Der ältere Toruk lächelte in sich hinein. Erinnerungen schienen in ihm aufzusteigen. »Als ich noch ein junger Mann war, ritt ich einmal durch die Tore von Samarkand. Ich sah eine Stadt, die prachtvoller war als alles, was ich bis dahin gesehen hatte. Aber einer wie du wird wohl behaupten, dass meine Bewunderung nur daher rührte, dass ich die Residenz der Himmelssöhne in Bian nie gesehen habe.«
    Wang blieb höflich, wie man es ihm beigebracht hatte. Und Li bewunderte ihren Vater in solchen Situationen für die Ruhe, die er zu bewahren wusste. Ihr selbst kam es manchmal vor, als müsste sie explodieren wie einer der Feuerwerkskörper, die man im Reich der Mitte zu Ehren des Kaisers bei besonderen Anlässen entzündete. Sie selbst hatte das nie gesehen, denn in Xi Xia gab es solchen Luxus nicht. Aber ihr Vater hatte ihr mit so großer Lebendigkeit davon erzählt, dass sie es sich sehr gut vorstellen konnte.
    »Man erzählt sich viel über die Städte des Westens«, sagte Wang. »Über Samarkand, über Bagdad und vor allem über Rom …«
    »Rom?«, fragte der ältere Toruk stirnrunzelnd.
    »Man sagt, es gäbe neben dem östlichen Reich der Mitte auch ein westliches Reich der Mitte, in dessen Zentrum Rom liegt … Zwei Reiche und zwei Kaiser, die die Welt ausbalancieren wie die Gewichte einer Waage.«
    »Wer weiß, ob du von diesem westlichen Reich nicht mehr zu sehen bekommst, als es mir vergönnt war«, sagte der ältere Toruk. Fast schwang darin ein wenig Bedauern mit. Er hob das Buch, das er schon die ganze Zeit in der Hand hielt. »Ich glaube an die alte Lehre des Propheten Mani – und nicht an die neue des Propheten Mohammed, der viele junge Leute in unserem eigenen Volk verfallen sind.

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