Die Papiermacherin
die die Überlebenden zusammentrieben.
Anscheinend hatten die Angreifer die Kameltreiber ganz bewusst am Leben gelassen, weil sie jemanden brauchten, der sich um die Tiere kümmerte. Ob es auch einen Grund für sie gab, drei Papiermacher am Leben zu lassen, musste sich erst noch zeigen. Li erhob sich.
Der Mönch betete noch immer abwechselnd in Griechisch und Latein und rief seinen Gott um Hilfe und Gnade an.
Einer der Nordmänner hatte schon zum Schwertschlag ausgeholt, um dieser Litanei ein Ende zu setzen, aber der Anführer hob die Hand und gebot ihm damit unmissverständlich, die Waffe zu senken. Die Worte, die dann folgten, erinnerten Li an den Klang des Donners, wenn sich über den weiten Steppen Xi Xias ein Sommergewitter entlud.
Sie fragte sich, ob der Rotstich in den Barthaaren des Anführers der Nordmänner eine besondere Laune der Natur war oder vielleicht von der Sitte dieser Barbaren zeugte, sich das Blut ihrer Feinde in den Bart einzustreichen. Vielleicht waren sie auch so unzivilisiert, dass sie rohes, blutiges Fleisch aßen, und wenn ihre Essensgewohnheiten auch nur halb so schauerlich waren, wie Li es bisher bei den Menschen des Westens kennengelernt hatte, dann ließ sich damit dieser Rotstich hinreichend erklären. Ein menschenfressendes Ungeheuer, erfunden für Geschichten, deren einziger Zweck darin bestand, kleine Kinder zu erschrecken und dazu zu bringen, fleißiger zu lernen oder Speisen zu sich zu nehmen, die gesund, aber wenig schmackhaft waren – so erschien Li dieser riesenhafte Mann. Nur dass er leider alles andere als die alptraumhafte Erfindung eines begabten Dichters war, sondern leibhaftig vor ihnen stand.
Er sagte ein paar Worte zu Bruder Anastasius, die dessen Gebeten ein ebenso plötzliches Ende setzten, wie es ansonsten ein Schwertstreich vermocht hätte.
»Gott hat dich erhört, frommer Mann!«, sagte er in einem Griechisch, das so klar klang, wie es nur jemand sprechen konnte, dem diese Sprache sehr vertraut sein musste.
»Herr, Ihr seid ein Christenmensch?«
»Ich stand lange Jahre in den Diensten des christlichen Kaisers von Konstantinopel«, sagte der Rotbärtige. »Ich selbst nehme mir von allen Göttern das Beste und glaube ansonsten an die Härte meiner Schwertklinge und an das Klimpern von Silber!«
»Wie ist Euer Name?«, fragte Bruder Anastasius. »Denn wenn ich nach Konstantinopel zurückkehre, werde ich ihn dort gerne rühmend erwähnen …«
Der Rotbärtige lachte schallend. »Man nennt mich Thorkild Larsson Eisenbringer – und ich bin mindestens bei der Hälfte derer, die dem Kaiser zurzeit als Gardisten dienen, gut bekannt! Auf den Ruhm durch deine Worte bin ich nicht angewiesen – und davon abgesehen, was macht dich so sicher, dass du Konstantinopel lebend erreichst?« Er deutete auf die Treiber. »Sprichst du die Sprache dieser Leute?«
»Das tue ich«, nickte der Mönch.
»Dann sag ihnen, sie sollen die Trampeltiere zum Aufbruch fertig machen. Womit sie beladen waren, lassen wir hier.«
»Aber Herr, das ist wertvollste Seide!«, erwiderte der Mönch.
»Jetzt sind es Lumpen«, erwiderte Thorkild Larsson Eisenbringer. »Ich brauche nur die Kamele. Und was soll ich mit einem Stoff, der nicht wärmt.«
»So habt Ihr ein Gut, das noch wertvoller ist als Seide?«, fragte der Mönch.
Thorkild Larsson Eisenbringer nickte. »Barren aus einem Stahl, aus dem Schwerter geschmiedet werden, die nicht zerbrechen – so wie das hier!« Er zog seine Klinge und hielt sie Anastasius unter die Augen. Der Mönch schluckte. »Du hast von mir gehört, nicht wahr?«
»Es gibt Gerüchte über einen Mann, der mit diesem Stahl handelt.«
»Und du wurdest nicht zufällig ausgesandt, um mehr darüber herauszufinden?«
»Ich bin ein Mann des Glaubens, und mein einziges Begehren ist es, das Wort Jesu Christi zu verbreiten.«
Thorkild Larsson Eisenbringer maß den Mönch mit einem nachdenklichen Blick. »Wenn ich etwas anderes herausfinden sollte, bringe ich dich um!«, kündigte er an. »Ganz gleich, wie fromm du bist!« Der wahre Grund für seine Barmherzigkeit war vermutlich, dass er im Moment auf den Mönch angewiesen war, da Thorkild offenbar nicht die Sprache der Kameltreiber beherrschte und auch keiner seiner Männer.
Der Nordmann wandte sich nun Li, Meister Wang und Gao zu.
»Wir sind Papiermacher auf dem Weg nach Samarkand, in die Stadt der Bücher und der Gelehrsamkeit«, sagte Li auf Griechisch, noch ehe Thorkild etwas gesagt hatte.
Zum Beweis ihrer
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