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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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passieren konnte.
    Das klare Wasser war eisig. Li hatte schon nach wenigen Schritten, die sie durch die Furt watete, das Gefühl, ihre Beine nicht mehr zu spüren.
    Erst am Abend, als sie am Feuer saßen, bekam sie ihre Kleidung wieder einigermaßen trocken.
    Das Land, in das sie jetzt gelangten, war nicht mehr ganz so zerklüftet. Es gab weitere, zumeist mit Gras bewachsene Flächen, die das Fortkommen erleichterten und vor allem die Möglichkeiten zu einem Hinterhalt einschränkten.
    »Das Schlimmste haben wir geschafft!«, hörte sie Babrak den Feilscher zu seinen Männern am Feuer sagen. »Und dann warten die Kuppeln und Minarette von Samarkand auf uns … Gepriesen sei Allah!«
    »Gepriesen sei Allah!«, fielen die anderen in diesen Ausdruck tiefer Dankbarkeit ein. Aber Li traute der Ruhe und der freudigen Stimmung nicht. Sie hatte die Nomadin und ihre rätselhaften Hinweise auf die hellbärtigen Männer nicht vergessen. Die Erleichterung von Babrak und seinen Männern kam ihr verfrüht vor.
    Ihr Vater hegte anscheinend denselben Gedanken.
    »Sie reden ihr Glück herbei, noch ehe sie es in den Händen halten«, erkannte Meister Wang. »Aber was auch immer geschehen mag, wir werden versuchen, es zu unserem Besten zu nutzen.«
    Es war eine eiskalte Nacht, und Li vertrieb sich die innere Unruhe, indem sie die griechischen und lateinischen Wörter wiederholte, die sie zuletzt von Bruder Anastasius gelernt hatte.
    Schließlich schlief sie doch ein, denn sie war von den Strapazen der zurückliegenden Zeit sehr erschöpft. Aber ihr Schlaf war äußerst leicht, als wollte irgendeine innere Stimme sie ständig davon abhalten, sich zu sehr dem traumlosen Nichts hinzugeben.
    Geräusche drangen an ihre Ohren. Schritte, dann Schreie, das Röcheln Sterbender, vermischt mit den durchdringenden Lauten von störrischen Trampeltieren.
    Li schnellte hoch. Das Feuer prasselte noch. Sie hatten diesmal mehr und vor allem besseres Brennholz zur Verfügung gehabt, deswegen war es nicht schon längst niedergebrannt.
    Und so fühlte Li sich weniger klamm und steif als sonst, wenn sie am Morgen aufstand, um einen weiteren Tag endloser Wanderschaft zu erwarten.
    Aber vielleicht war es gerade das helle Feuer, das der Karawane zum Verhängnis geworden war.
    Im Schein der Fackeln sah Li schwer bewaffnete Krieger. Die Helme hatten einen Nasenschutz, der dem Antlitz alles Menschliche nahm. Aber viele von ihnen trugen Bärte, deren Farbe jener erschreckend ähnlich war, die der Gürtel der Nomadin hatte.
    Mit Schwertern und Streitäxten fielen sie über Babrak den Feilscher und seine Männer her. Babrak kam nicht einmal mehr dazu, die Decke zur Seite zu schlagen und nach seinem gebogenen Schwert zu fassen, da hatte ihm bereits einer der Angreifer den Schädel mit der Streitaxt gespalten.
    Stimmen riefen in einer Sprache durcheinander, die Li noch nie zuvor gehört hatte und die weder Griechisch noch Latein oder irgendein verwandter Dialekt war.
    Laut schreiend stoben zwei der Trampeltiere davon, und gleich mehrere Angreifer machten sich sofort daran, sie wieder einzufangen.
    Reiter tauchten in der Nacht wie schattenhafte Geister auf. Nur ihre Umrisse waren zu erkennen. Hin und wieder streifte das Mondlicht ihre Körper und Gesichter.
    Bruder Anastasius hatte lautstark zu beten begonnen.
    Der Kampf war innerhalb weniger Augenblicke zu Ende. Die meisten der Bewaffneten, die im Gefolge von Babrak dem Feilscher die Karawane begleitet hatten, wurden noch halb im Schlaf erschlagen.
    Einige der Kameltreiber versuchten zu fliehen, aber die Fremden trieben sie zurück ins Lager. Einer von ihnen starb unter einem Schwertstreich, doch der Krieger, dessen Waffe dem Treiber in den Leib gefahren war, wurde von einem Reiter angeherrscht, der offenbar der Anführer war. Von seiner Klinge troff Blut. Er trug einen Helm ohne Nasenschutz, sodass sein Gesicht im Mondlicht gut zu sehen war. Der Bart war hell und leicht rötlich. Die Stimme klang dunkel und erinnerte an das Knurren eines Bären, wie man sie auf den Märkten von Xi Xia manchmal ausgestellt sah.
    Er ließ sich aus dem Sattel gleiten. Die blutige Klinge wischte er an einem der Seidenballen ab, die man den Kamelen für die Nacht abgenommen hatte. Dann steckte er die breite, gerade und sehr lange Klinge wieder in die Lederscheide an seinem Gürtel. Li fühlte einen groben Stoß von hinten. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden.
    Von allen Seiten waren sie von bewaffneten Nordmännern umgeben,

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