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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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etwas erfährt, was für unseren Reiseweg von Bedeutung ist«, sagte Bruder Anastasius, als er bemerkte, wie Li angestrengt lauschte.
    »Es geht um den Kara Khan«, stellte sie fest.
    »Natürlich. Es geht zurzeit fast immer um den Schwarzen Herrscher in diesem Land.«
    Als die Karawane Yarkand verließ, war sie um einige Kamele reicher. Babrak hatte zusätzliche Tiere gekauft. Er wollte die Waren, die er mitführte, auf mehr Tiere verteilen.
    »Es heißt, wir sollten Kaschgar meiden, weil es von Truppen Kara Khans beherrscht wird«, erklärte Babrak gegenüber seinen Männern. »Und da er Krieg gegen den Emir von Buchara führt, werden so hohe Zölle verlangt, dass man seine Waren angeblich gleich verschenken kann!«
    »Bist du dir sicher, dass man dir das nicht nur erzählt hat, um zu verhindern, dass du auf dem Markt von Kaschgar jemandem Konkurrenz machst?«, argwöhnte einer der Männer.
    Aber Babrak quittierte das mit einem finsteren Blick, der jeden Zweifel darüber ausschloss, dass er es sehr ernst meinte. »Die Quelle, von der ich das habe, ist vertrauenswürdig«, erklärte er. »Der Weg, den wir stattdessen einschlagen, ist gebirgiger. Die Tiere brauchen mehr Kraft und sollen nicht so schwer tragen … Und was die Gegend angeht, durch die wir jetzt kommen, so kenne ich mich dort aus wie kaum jemand sonst …«
    Der Weg, auf den Babrak sie führte, zog sich durch ein schroffes Bergland. Schneebedeckte, einschüchternde Gipfel ragten zu beiden Seiten auf, es gab tiefe Schluchten und schattige Täler, karge Hochweiden und sogar dunkle Wälder, die an steile Felshänge grenzten.
    Die Luft war klar und kühl. Warm wurde es dort, wohin die Sonne reichte. Immerhin war es am Abend nicht mehr ganz so mühsam, Feuerholz zu suchen. Es gab genügend Sträucher und kleine Bäume.
    Li war ein ums andere Mal erstaunt, wie die zweihöckrigen Trampeltiere selbst schwierige Steigungen und steile Hänge zu bewältigen vermochten, während die Pferde dabei häufig viel größere Mühe hatten.
    Tage vergingen in diesem Labyrinth. Manchmal folgten sie Schluchten, die so schmal waren, dass sie den ganzen Tag über im Schatten lagen und kein Sonnenstrahl den Erdboden erreichte. An kleinen Wasserläufen machten sie Halt, die Schmelzwasser von den vergletscherten Höhen in die tiefer gelegenen Gebiete spülten – Wasser, das kalt und klar war und in den Stunden des frühen Abends und bei Sonnenaufgang geisterhafte Nebelschwaden aus den Tälern emporsteigen ließ.
    Auf einer Hochweide begegneten sie einem Nomadenstamm, dem offenbar eine Ziegenherde gehörte. Die Angehörigen des Stammes beherrschten keine der Sprachen, die Babrak der Feilscher verstand. Er versuchte es mit verschiedenen uigurischen und turkmenischen Dialekten und auf Persisch. Aber das Idiom, in dem sich die Menschen des Jurtendorfs unterhielten, hatte mit keiner dieser Sprachen auch nur entfernte Ähnlichkeit.
    Babrak tauschte etwas Ziegenmilch gegen ein paar Stoffbahnen, aus denen die Nomaden ein Banner für ihre Hauptjurte schnitten.
    Eine der Frauen sprach Li an, und diese verstand natürlich kein einziges Wort. Die Nomadin war klein, wirkte stämmig, sie hatte tiefliegende dunkle Augen und eine kurze Nase, die leicht nach oben zeigte.
    Sie gestikulierte mit ihren Armen und strich sich über das Kinn. Dann hielt sie insgesamt sechsmal die auseinandergespreizten zehn Finger hin.
    »Ich habe leider keine Ahnung, was du mir sagen willst«, entgegnete Li freundlich. »Sechs mal zehn Finger sind sechzig. Aber sechzig was?«
    »Vielleicht Männer mit Bärten«, sagte eine tiefe Stimme auf Griechisch. Es war Bruder Anastasius. Li kannte inzwischen genug griechische Worte, um zu verstehen, was er sagte, auch wenn es ihr immer noch große Schwierigkeiten bereitete, selbst die richtigen Formen zu bilden oder die genaue Bedeutung jener Veränderungen zu erfassen, denen Wörter in den westlichen Sprachen unterworfen waren. Schon als sie die ersten persischen und uigurischen Wörter gelernt hatte, um damit auf den Markt zu gehen, hatte sie festgestellt, dass diese Wortveränderungen gar nicht so wesentlich für den Sinn dessen waren, was gesagt wurde. Es reichte oft aus, die grundlegenden Bedeutungen zu erfassen. Ob etwas in der Vergangenheit geschah oder erst morgen, ob etwas einfach vorhanden war oder mehrfach, das ergab sich in der Regel aus dem Zusammenhang der Situation.
    Bruder Anastasius trat näher.
    Die Frau wich zurück. Gegenüber dem Mönch schien sie eine

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