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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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gewisse Scheu zu haben. Vielleicht nur deshalb, weil er ein Mann war und es die Männer ihrer Sippe nicht gerne sahen, wenn sie sich mit einem Fremden unterhielt. Oder sie verband den Anblick eines Mönches wie Bruder Anastasius mit irgendwelchen schlechten Erinnerungen und war deshalb so reserviert.
    Bruder Anastasius hob beschwichtigend die Hände und bekreuzigte sich dann. Anschließend sandte er ein kurzes griechisches Gebet zu seinem Gott, dessen Sinn Li überraschenderweise nicht einmal annähernd verstand, obwohl sie viele der Wörter kannte. Sie waren in einer Weise miteinander verbunden, die es ihr unmöglich machte, die Bedeutung zu erfassen. Anscheinend muss ich noch viel lernen, ging es ihr durch den Kopf.
    »Männer mit Bärten – das ist nun wirklich kein besonderes Merkmal«, meinte Bruder Anastasius und deutete dabei auf seinen eigenen. »Das könnten Mönche wie ich sein, aber auch Perser oder Araber.«
    »Zumindest scheint das Tragen von Bärten bei den Männern dieses Stammes kaum üblich zu sein«, hatte Li bereits festgestellt. »Ich nehme an, dass er bei ihnen nicht so stark wächst …«
    »Wie bei den Angehörigen des Han-Volks?«
    »Ja.«
    Die Frau deutete jetzt auf den hellbraunen Lederriemen, der ihr grob gewebtes Gewand zusammenhielt, und anschließend noch einmal auf ihr Kinn. Dazu redete sie ununterbrochen in ihrer Sprache auf Li ein.
    »Vielleicht Männer mit hellen Bärten?«, fragte Li. Manche der persischen Händler, die bis Xi Xia gekommen waren, hatten hin und wieder etwas feilgeboten, von dem sie behaupteten, es sei das Haar hellhaariger Frauen aus einem fernen Land.
    Meister Wang hegte immer den Verdacht, dass es in Wirklichkeit von Pferden stammte. Weil es aber für die Herstellung von Sieben zu fein und zu rissig war, verlor der Papiermacher schnell das Interesse an diesem Angebot – während die Perücken- und Pinselmacher Höchstpreise dafür boten.
    Vorausgesetzt, es hatte sich wirklich um Frauenhaar gehandelt, lag eigentlich die Vermutung nahe, dass es auch Männer mit dieser Haarfarbe gab.
    »Männer mit hellen Bärten – so weit im Osten …«, murmelte Bruder Anastasius. »Das ist kein gutes Zeichen!«
    »Was sind das für Männer?«
    »Nordmänner. Die wildesten Krieger und die gerissensten Händler, die man sich denken kann! Raub und Handel sind für sie dasselbe. Und der Kaiser von Konstantinopel hat eine Leibgarde von mehreren tausend Mann angeworben, die nur aus solchen Männern besteht! Waräger nennt man sie.«
    »Dann sind wir schon so nahe an Konstantinopel?«, fragte Li.
    Bruder Anastasius schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Und diese Nordmänner sind auch ganz sicher keine Gardisten des Kaisers. Mich wundert nur, dass sie in einem so gebirgigen Land unterwegs sind.«
    »Weshalb?«
    »Weil sie normalerweise die Reise auf Schiffen bevorzugen. Sie folgen den Wasserläufen und fahren über die Meere.«
    »Dann muss es einen besonderen Grund dafür geben, dass sie hier waren. Sind sie Christen oder Muslime?«
    »Manche sind Christen, manche glauben an ihre eigenen alten kriegerischen Götter. Aber ich habe noch nie einen Nordmann getroffen, der Muslim war.« Der Mönch lächelte nachsichtig. »Das ist auch nicht verwunderlich.«
    »Warum?«
    »Weil der Koran die berauschenden Getränke verbietet, und die hellbärtigen Nordmänner gelten als unmäßige Trinker!«
    »Haben wir etwas von ihnen zu befürchten oder zu erhoffen?«
    »Das kann man vorher nie sagen. Ich persönlich traue nur den Nordmännern, die in der Garde des Kaisers dienen. Denn deren Loyalität ist über jeden Zweifel erhaben.«
    Bruder Anastasius wandte sich wenig später an Babrak, um ihm von den Zeichen und Gesten der Nomadenfrau zu berichten. Babrak reagierte ziemlich beunruhigt. Er rief alle bewaffneten Begleiter der Karawane zusammen, aber von dem, was sie untereinander sprachen, bekam Li nichts mit.
    Weitere Tage gingen dahin. Einige der Nomaden begleiteten sie bis zur Grenze jenes Gebiets, das sie offenbar für sich beanspruchten. Sie waren mit Speeren und Pfeil und Bogen bewaffnet und hüllten sich die meiste Zeit über in vollkommenes Schweigen. Allerdings kannten sie günstige Pfade, auf denen sich ein paar von weitem recht schroff und unwegsam wirkende Höhenzüge leichter überwinden ließen.
    Die Grenze ihres Gebiets markierte schließlich ein schmaler, aber reißender Fluss. Doch auch hier kannten die Nomaden eine flache Stelle, die Babrak mit seinen Tieren gefahrlos

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