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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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des Statthalters zusagten. Vielleicht befürchtete er, dass Samarkand bereits ein Raub des Kara Khan wurde, bevor er den vollen Erlös für seine Beute einstreichen konnte. Oder hatte er, was das Talent seiner Gefangenen anging, so sehr übertrieben, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob sie diese Erwartungen auch erfüllten? Jedenfalls war Li immer wieder überrascht darüber, wie ungeschminkt und offen die Menschen des Westens ihre innersten Regungen nach außen dringen ließen. Ihre Gesichter waren Spiegelbilder ihrer Seele. Dabei nahmen sie weder darauf Rücksicht, dass es womöglich in ihrem eigenen Interesse lag, die Regungen ihrer Seele stärker zu verbergen, noch kümmerte sie das Erschrecken derer, die einem fassungslosen Gesicht schutzlos ausgeliefert waren, da es ihnen die Höflichkeit verbot, in aller Deutlichkeit den Blick abzuwenden.
    Der Hofbeamte trat an ein Stehpult, an dem Papier und Feder bereitlagen. Das Papier war Li schon aufgefallen. Es war von mittlerer, gerade noch annehmbarer Qualität, wenn man einmal davon absah, dass die Farbgebung nicht die nötige Gleichmäßigkeit besaß.
    Noch während er schrieb, sprach er Thorkild auf Griechisch an. Er setzte offenbar voraus, dass unter den Papiermachern aus dem Fernen Osten niemand diese Sprache verstand und er sich daher mit dem Nordmann vollkommen ungestört unterhalten konnte, mit dem er im Übrigen sehr vertraut zu sein schien.
    »Es gefällt anscheinend nicht allen, dass jeder Barren Stahl, der in die kalten Heidenländer des Nordens gebracht wird, durch deine Hände geht, Eisenbringer«, sagte der Beamte, während der Blick seiner grauen Augen auf das Schriftstück gerichtet war, das er gerade ausstellte.
    »Wie meint Ihr das?«, fragte Thorkild.
    »Du weißt, dass ich gute Ohren habe, Thorkild, und dass man mir vieles berichtet, was selbst der Statthalter oder der Emir nicht weiß …«
    »Und was ist Euch in diesem Fall zu Ohren gekommen?«
    »Ein Mann aus dem fernen Land der Sachsen ist hierher unterwegs. Sein Name ist Arnulf, wobei ich glaube, dass deine Barbarenzunge diesen Namen besser auszusprechen vermag als ich.«
    »Arnulf …«, murmelte Thorkild, und aus seinem Mund klang der Name des fremden Ritters wie ein düsterer Fluch. »Schickt ihn der Kaiser aus Saxland?«
    »So muss es wohl sein. Aber in der Geografie und der Politik der Ungläubigen des Nordens kennst du dich besser aus. Schließlich bist du einer von ihnen!«
    Thorkild Eisenbringer stieß ein paar finstere Verwünschungen in der Sprache der Nordmänner aus. »Lasst diesen Mann für mich töten, wenn er in Samarkand auftauchen sollte«, verlangte Thorkild.
    »Du überschätzt meine Möglichkeiten, Eisenbringer!«
    »Ihr wollt mir ernsthaft erzählen, dass man in Samarkand niemanden finden könnte, der diesen Mann zur Strecke bringt, sobald er die Stadt erreicht hat?«
    »Auf jeden Fall kann ich dir einen Boten schicken. Dann kannst du das selbst erledigen, Eisenbringer.« Der Hofschreiber des Statthalters blickte auf und lächelte. »Niemand wird etwas dagegen haben, wenn die Ungläubigen untereinander dafür sorgen, dass sich ihre Anzahl verringert.«
    Dann blickte er in Lis Richtung, die vielleicht etwas zu aufmerksam zu ihm hinübergesehen hatte. Dann sagte er auf Persisch: »Was siehst du mich so an? Fast könnte man meinen, dass du Griechisch verstehst, Papiermacherin.«
    »Ich habe die Qualität Eures Papiers betrachtet«, erklärte Li in aller Ruhe, denn sie war sicher, dass Thorkild nicht verraten würde, dass sie Griechisch sprach.
    »Und?«, fragte der Hofschreiber des Statthalters und hob dabei die dunklen Augenbrauen. »Wie beurteilst du diese?«
    Li hob den Blick. In ihrem Gesicht stand ein undurchdringliches Lächeln. »Ich werde alles dafür tun, dass Ihr auf so schlechtem Papier in Zukunft nicht mehr zu schreiben braucht, Herr!«, erklärte sie.
     

Achtes Kapitel

Ein Ritter aus Saxland
     
     
     
    In der Nähe des Statthalter-Palastes von Samarkand lagen die Quartiere und Werkstätten von Schreibern und Papiermachern. Dort bekamen auch Meister Wang, Gao und Li eine Werkstatt zugewiesen, in der noch ein halbes Dutzend weiterer Papiermacher beschäftigt war. Sie lebten und arbeiteten zusammen mit ihren Familien in der Werkstatt. Morgens nach Sonnenaufgang wurden die Schlafmatten fortgeräumt und die Arbeit begann. Die anderen Papiermacher sahen wie Bewohner des Reichs der Mitte aus – aber kaum einer von ihnen kannte mehr als ein paar Worte in

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