Die Papiermacherin
tatsächlich erfüllen«, lächelte Bruder Anastasius.
»Ich habe es mir fest vorgenommen, das Zentrum des Reichs der Mitte des Westens zu besuchen, wenn ich ihm schon einmal so nahe gekommen bin!«
»Nahe?« Der Mönch hob die Augenbrauen. »Der Weg bis Konstantinopel ist immer noch unvorstellbar weit – ein Weg, wie ihn nur ganz wenige Menschen in ihrem ganzen Leben gehen.«
Am dritten Tag nach ihrer Ankunft in Samarkand kamen bewaffnete Männer, die sich als Angehörige der Leibwache des Statthalters ausgaben, und forderten Li, Meister Wang und Gao auf, ihnen zu folgen. Weitere Erklärungen gaben sie nicht. Die Nordmänner, die bei der Karawanserei geblieben waren, um die Barren und die Gefangenen zu bewachen, schienen eingeweiht zu sein, aber mit ihnen war eine Verständigung unmöglich. Thorkild Larsson Eisenbringer selbst hatte Li seit ihrer Ankunft in Samarkand kaum noch gesehen. Bruder Anastasius wusste offenbar mehr.
»Er führt vermutlich Gespräche mit seinen einflussreichen Freunden hier in Samarkand«, meinte er. »Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob der Eisenbringer da nicht etwas übertreibt.«
Die Bewaffneten nahmen die drei Papiermacher in ihre Mitte und führten sie einmal quer durch die Stadt. Die Menschen wichen vor ihnen aus. Die Bewohner schienen sie zu fürchten und bildeten bereitwillig eine Gasse, sobald sie sie bemerkten.
Scheue, verwunderte Blicke galten den drei Angehörigen des Han-Volks.
»Wohin führt Ihr uns?«, fragte Li zum wiederholten Mal in dem besten Persisch, das sie zustande bringen konnte. Bisher waren die Wächter stumm geblieben. Li hatte schon den Verdacht, dass es sich um Söldner handelte, die selbst nicht viel Persisch sprachen.
Aber nun erbarmte sich einer von ihnen und löste die quälende Ungewissheit auf. »Es geht zum Badehaus!«, sagte er.
Das Badehaus, das die Wächter meinten, war anscheinend ein Teil des Palastes. Dort angekommen wurde Li von ihrem Vater und Gao getrennt. Mehrere Frauen nahmen Li in Empfang und begannen damit, ihre zerlumpten und inzwischen vor Dreck starrenden Sachen auszuziehen. Anschließend wurde sie gebadet. Der Duft kostbarer Öle erfüllte den Raum. Li dachte an Jasmin, mit dem man sich auch in Xi Xia zu baden pflegte. Sie genoss das warme Wasser, in das sie ihren schlanken Körper tauchte. Die Tropfen perlten ihr über die Haut. Li seufzte leise. All die Strapazen der letzten Wochen fielen für einen Moment von ihr ab.
Zwei Frauen näherten sich dem Bad mit einem Krug. Sie begannen, Lis blauschwarze Haare mit einer Essenz zu waschen, die angenehm roch. All dies ließ Li bereitwillig mit sich geschehen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so wohlgefühlt hatte.
Nach dem Bad lagen Gewänder aus fließenden Stoffen für sie bereit. Eine Frau mit freundlichen Augen kümmerte sich um Lis Haare, die nun sauber, aber immer noch ziemlich verfilzt waren. Oft genug hatte sie sich während der langen Reise, die hinter ihr lag, nur notdürftig um ihre blauschwarzen, langen Haare kümmern können. Aber die Frau mit den freundlichen Augen schien einiges davon zu verstehen. Am Ende war ihr Haar glattgekämmt und zu einem Zopf zusammengefasst.
Dann gab man ihr ein Tuch aus einem dunkelblauen, leichten Stoff, der zwar fließend war, aber in seiner Qualität weit von der Festigkeit eines seidenen Gewebes entfernt. Li verstand im ersten Moment nicht, wozu dieses Tuch dienen sollte.
»Es gilt hier als unschicklich für eine Frau, ihr Haar offen zu zeigen«, sagte die Frau mit den freundlichen Augen. Sie sprach sehr langsam und auffallend deutlich akzentuiert. Offenbar glaubte sie, dass Li sie so besser verstehen konnte. »Dieses Tuch dient dazu, dein Haar zu verhüllen. Wenn man dich und die beiden anderen Papiermacher vor Prinz Ismail bringt, dann soll dabei sein Verstand nicht durch das unziemliche Auftreten einer Heidin verwirrt werden.«
»Wer ist dieser Prinz Ismail?«, fragte Li.
»Ein Neffe des Emirs von Buchara.«
»Ist das der Herrscher aus dem Geschlecht der Samaniden?«
»So ist es.«
»Ich habe von der Macht dieses Herrschergeschlechts gehört.«
»Es herrscht über die Länder Chorasan, Mawarannahr und Ferghana …«
»Ich habe gehört, dass der Emir seine Hauptstadt Buchara an den Schwarzen Herrscher verlor …«
»Das ist schon ein paar Jahre her – und Prinz Ismail gewann Buchara für seinen Onkel und sein Geschlecht zurück.«
»Wurde er deswegen mit der Würde eines Statthalters von
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