Die Papiermacherin
so staubtrocken wie der Wüstensand, als wollte ihr Körper nicht einen einzigen Wassertropfen zu viel abgeben.
Li glaubte, ersticken zu müssen. Sie ruderte mit den Armen, versuchte Fadias Griff zu lösen, aber Firuz’ erste Frau war ihr an Kräften überlegen.
»Nicht einmal die scharfe Seife, die Firuz auf den Basaren verkauft, kann diesen Geruch so schnell von dir abwaschen!«, zischte Fadia. »Kein Mann wird dich eine Weile anrühren, dessen kannst du sicher sein! Und schon gar nicht der meine, dessen empfindliche Seifenhändler-Nase sich vor Ekel kräuseln wird!«
Jetzt endlich gelang es Li, sich aus dem Griff ihrer Gegnerin zu befreien. Mit einer schnellen, kräftigen Bewegung schlug sie Fadias Arm zur Seite und gab ihr einen Stoß. Fadia taumelte zu Boden, war aber sofort wieder auf den Beinen.
Ein kaltes, triumphierendes Lächeln stand in ihrem Gesicht.
Sie stemmte einen Arm in die Hüfte und ging mit erhobenem Kinn aus dem Raum.
Li blickte sich um. Keine der anderen Frauen hatte eingegriffen. Alya schaute zur Seite, denn ihre erste Sorge galt ohnehin dem Kind auf ihrem Arm. Jarmila wich Lis Blick aus. Vielleicht aus Scham – aber da war ein leichter Zug an den Mundwinkeln, der ihre wahren Gedanken verriet. Sie denkt, dass ich es verdient habe!, ging es Li durch den Kopf.
Dreizehntes Kapitel
Die Heilige Stadt
Die Kuppel des Felsendoms von Jerusalem war schon aus großer Entfernung zu sehen. Wie ein Trugbild wirkte sie auf Li. Ein stundenlanger Kamelritt lag hinter ihr, und beim schaukelnden Gang ihres Reittiers hatte sie sich ganz in ihren Gedanken verloren. Vor allem beschäftigte sie die Frage, wie ihr Lebensweg noch eine andere Richtung nehmen könnte – eine Richtung, die sie selbst bestimmte und deren Ziel zumindest vage erkennbar und einigermaßen verheißungsvoll war.
Arnulf, der fremde Ritter aus Saxland, tauchte ebenfalls immer wieder in ihren Gedanken auf, und wenn man es genau nahm, hatte er diese nie verlassen.
Wenn so viele Christen nach Jerusalem pilgerten, warum sollte dann nicht auch Arnulf von Ellingen irgendwann diesen Weg beschreiten?, so bildete sie sich ein, wobei sie mehr einer tagtraumähnlichen Fantasie nachhing, als darin eine echte Verheißung ihres Schicksals zu sehen.
Sie nahm sich vor, den Gedanken an Arnulf auf ähnliche Weise in ihrem Herzen zu bewahren wie ihr Vater die Erinnerung an ihre Mutter. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie immer gespürt, dass diese Frau ihren Vater begleitete, und vermutlich war sie selbst jetzt noch bei ihm. Um sich ihr nah zu fühlen, brauchte er nicht einmal einen Ahnenschrein. Es reichte die starke Verbundenheit, die sie einmal miteinander geteilt hatten.
»Jerusalem!«, rief der zwölfjährige Ahmad erfreut. »Wir haben es endlich geschafft!« Dabei versuchte er, den Esel, auf dem er seit dem Aufbruch aus Bagdad vor ein paar Wochen ritt, zu mehr Schnelligkeit anzutreiben. Doch das eigenwillige Tier ließ sich das nicht gefallen. Es reagierte mit einem gleichermaßen störrisch wie durchdringend klingenden Laut, den es so vehement ausstieß, als wollte es gegen diese Zumutung lautstark protestieren.
Die Karawane näherte sich einem der Stadttore, das ein steter Strom von Besuchern passierte.
Händler wie Firuz waren darunter, die ihre Waren auf Kamelen und Eseln tragen ließen, aber auch hin und wieder christliche Mönche oder Bauern der Umgebung, die ihre Erzeugnisse zu den Märkten bringen wollten. Die Stadt kam Li klein vor – verglichen mit Bagdad oder Samarkand. Doch die Bedeutung dieses Ortes lag zweifellos nicht in der Anzahl von Menschen, die hier lebten, oder im Umfang der Stadtmauern.
Die Menschen in den engen Straßen sprachen überwiegend Arabisch. Hier und da fielen Li auch andere Zungen auf. Neben den an ihrer Kleidung deutlich als Fremde erkennbaren Besuchern, die wohl von weither gekommen waren, um die heiligen Stätten zu besuchen, gab es Männer und Frauen, die ganz nach Art des Landes angezogen waren und sich in nichts von den anderen Bewohnern unterschieden, außer dass sie einen gelb oder blau gefärbten Gürtel trugen.
Sehr vereinzelt hatte Li dies schon in Bagdad gesehen, aber kein besonderes Augenmerk darauf gelegt. Unter den vielen anderen Eindrücken waren die Gürtel in den Hintergrund gerückt.
Li hatte sich zwar bemüht, möglichst viele Worte aus der Sprache des Propheten zu lernen, aber sie war noch weit davon entfernt, etwa die Menschen auf der Straße zu verstehen.
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