Die Papiermacherin
hauptsächlich aus Couscous bestehenden Mahlzeiten nahmen. Die Kunst, mit Stäbchen zu essen, war westlich von Xi Xia nicht bekannt, und Li versuchte stets, den Rat ihres Vaters zu befolgen, dass sie sich den Grad der Unreinheit besser nicht vorstellen sollte. »Sei gewiss, dass du deinem Körper mehr schadest, wenn du gar nichts isst, als wenn du auf die Art der Barbaren die Mahlzeit nimmst«, hallten Meister Wangs Worte in ihrem Inneren wider.
Das hatte für das ungeheuer fette Essen der Uiguren ebenso gegolten wie für die Gerichte, die man unter Persern oder Arabern bevorzugte.
Da auch die Frauen aus dem Haushalt von Abu Khalil mit ihnen aßen, wurde viel Arabisch gesprochen. Jarmila und Fadia beherrschten die Sprache des Propheten, wenngleich Li das Gefühl hatte, dass sich einige der anderen Frauen manchmal etwas über die Aussprache der beiden lustig machten. Alya hingegen redete, als hätte sie nie irgendwo anders gelebt. Sie brachte auch die tief im Hals gefühlten Reibelaute, die dieser Sprache ihren besonderen Charakter gaben, auf völlig natürliche Weise über die Lippen, und Li fragte sich, ob es nicht für ihr Kind sehr verwirrend sein musste, die Mutter mal in der einen, mal in der anderen Zunge reden zu hören.
Aber vielleicht lernte es ja von Anfang an beide Sprachen und nahm nicht einmal bewusst den Unterschied wahr, wenn es später anfing, selbst zu sprechen.
Li hielt sich zurück. Sie wusste noch nicht, welche der Frauen sich mit welcher anderen wie gut verstand oder womöglich eine geheime Feindschaft pflegte. Wie schnell es sonst zu einer äußerst prekären Situation kommen konnte, hatte ihr Fadias Angriff an jenem Morgen in Bagdad in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Ihr Körper war über und über mit blauen Flecken übersät gewesen, die bei jedem Kamelschritt schmerzten. Und erst als sie fast die Hälfte der Strecke von Bagdad nach Jerusalem hinter sich gebracht hatten, waren das Schwindelgefühl und das Dröhnen im Kopf schwächer geworden.
Was den Geruch von Kameldung anging, hatte Fadia Recht behalten. Er war wirklich kaum abzuwaschen – weder vom Körper noch aus den Kleidern. Manchmal glaubte sie jetzt noch, danach zu riechen, aber ihr Vater hatte ihr versichert, dies sei Einbildung und allein dem tiefen Schrecken geschuldet, den der Angriff ihr verursacht hatte. Manchmal erwachte sie auch mitten in der Nacht und glaubte, keine Luft zu bekommen, dann dauerte es ein paar Augenblicke, ehe sie begriff, dass alles in Ordnung und sie nur dem Entsetzen eines Alptraums erlegen war.
Immerhin hatte Firuz sie seit Bagdad in Ruhe gelassen und nicht noch einmal versucht, sich ihr zu nähern. Ob wirklich der Gestank von Kameldung dafür ausschlaggebend war, bezweifelte Li jedoch. Eher glaubte sie, dass es mit einer lautstarken Unterhaltung zusammenhing, die Fadia und Firuz wohlweislich auf Arabisch geführt hatten, sodass Li nur Bruchstücke davon mitbekam.
Fadia hatte Li daraufhin keines Blickes mehr gewürdigt und auch kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Wenn es etwas mitzuteilen gab, sagte Fadia es Jarmila und die wiederum Li.
»Warum bist du so schweigsam?«, wandte sich während der Mahlzeit eine Frau an Li, von der sie inzwischen mitbekommen hatte, dass sie Aischa hieß und die Frau von Abu Khalis ältestem Sohn war. Vor ihr schien sogar Fadia Respekt zu haben. Aischa sprach überwiegend Arabisch, war aber auch des Persischen mächtig. »Verachtest du uns? Oder weshalb sprichst du nicht?«, fügte Aischa hinzu. Es war Li aufgefallen, wie intensiv Aischa sie beobachtete – selbst dann, wenn sie vorgeblich dem Gerede der anderen lauschte.
»Ich verachte niemanden«, sagte Li. »Aber ich spreche nur wenige Worte in der Sprache des Propheten und verstehe vieles nicht, über das geredet wird. Deswegen wage ich es nicht, etwas zu sagen.«
»Wie heißt das Land, aus dem du kommst?«
»Es nennt sich Xi Xia und gehörte früher zum Reich der Mitte.«
»Ich glaube nicht, dass hier je ein Mensch von diesem Land gehört hat.«
»Das glaube ich auch nicht.«
»Glaubst du an Allah?«
»Ich glaube, dass der Koran viel Weisheit enthält.«
»Ich möchte wissen, ob du eine gläubige Muslimin geworden bist und die Wahrheit von Mohammeds Wort erkannt hast!« Ihr Tonfall war streng, und Li sah ein, dass es keinen Sinn hatte, ihr eine ausweichende Antwort zu geben.
»Ich bin noch keine Anhängerin der Lehre des Propheten geworden«, sagte Li.
»Müsste sie dann nicht einen blauen
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