Die Papiermacherin
Firuz zeigte sich zwar nicht sonderlich begeistert davon, da die Pilger die Karawane seiner Ansicht nach unnötig aufhielten, aber Li hörte, wie Fadia ihren Ehemann eindringlich ermahnte, sich ihnen gegenüber großzügig zu verhalten, denn dies sei die Pflicht jedes Muslims.
Von Nischapur aus nahm Firuz die nördliche Route durch das Gebirge von Parthien, um die Salzwüste Kavir zu meiden.
Auf diesem Stück des Reisewegs nahm die Zahl der befestigten Karawansereien wieder ab. Manchmal gab es gastfreundliche Dörfer, in denen Firuz Stoffe und Decken verkaufen oder gegen Ziegenkäse und Hammelfleisch eintauschen konnte. Aber es kam in den Bergen wieder öfter vor, dass sie die Zelte aufschlagen und im Freien kampieren mussten. Häufig stiegen sie ab, um die Tiere über schmale Grate und steile Pässe zu führen. Aber Firuz kannte sich offenbar gut aus.
Immer wieder suchte er Lis Nähe, was ihr äußerst unangenehm war. Auf den Streckenabschnitten, auf denen man die Kamele reiten und er die Führung einem der anderen Männer überlassen konnte, preschte er auf seinem gescheckten Pferd herbei und hielt sich neben ihr.
Er erzählte von seinen Plänen, von der Fertigungsstätte für Papier, die ihm vorschwebte, und davon, dass gerade die Papiere mit den Wasserzeichen ihnen förmlich aus der Hand gerissen werden müssten. »Du wirst sehen, auch ihr werdet dadurch zu Wohlstand kommen. Vielleicht wirst du es dir sogar leisten können, eines Tages den Weg der Seide in östliche Richtung zu gehen und zurück in deine Heimat zu gelangen …«
»Wir werden sehen«, sagte Li ausweichend.
»Wenn es nicht dein eigener Wunsch sein sollte, dann gewiss der deines Vaters.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil es der Wunsch aller alten Leute ist, dorthin zurückzukehren, woher sie kamen und wo Geister ihrer Erinnerungen wie Dschinne herumstreichen … Vielleicht geht es dir eines Tages genauso.«
»Ich habe aufgehört, mich an eine solche Hoffnung zu klammern«, sagte sie. »Es geschieht, was geschieht …«
»Du könntest dein Geschick mehr beeinflussen, als du glaubst«, sagte Firuz. »Denn du hast nicht nur das Talent, Papier zu schöpfen und es mit Bildern aus Licht zu versehen … du bist auch eine sehr schöne Frau …«
»Du solltest so nicht mit mir sprechen«, sagte Li.
»Ich spreche mit wem immer ich will auf die Art, die ich für richtig halte«, erwiderte Firuz. »Und Allah allein ist mein Richter – sonst niemand.«
»Du hast bereits zwei Frauen – und denen ist nicht entgangen, wie du mich ansiehst!«
Firuz ging darauf nicht weiter ein. »Ich werde dich Basma nennen. Das ist ein häufiger Name in den Ländern der Gläubigen. Er bedeutet in der Sprache des Propheten ›die Lächelnde‹ – und da dein Lächeln so unergründlich scheint, finde ich, dass dieser Name passt!«
»Ich würde es bevorzugen, bei dem Namen gerufen zu werden, den ich von meinem Vater erhielt«, erwiderte Li kühl. Innerlich kochte es in ihr. Was bildete sich Firuz ein? Li brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Jarmila und Fadia genau beobachteten, was geschah. Sie konnte von Glück sagen, dass es während der Reise so gut wie überhaupt keine Gelegenheiten gab, bei denen sie allein mit ihm war.
Schließlich erreichten sie Bagdad. Gaos Zustand hatte sich noch nicht nachhaltig gebessert, obwohl das Klima im Zweistromland viel milder war. Die Stadt des Kalifen erschien Li gewaltig, während sie durch die verwinkelten Straßen zogen, in denen überall Händler darauf hofften, ihre Waren an den Mann zu bringen.
»Der Kalif hat keine Macht mehr«, erzählte Jarmila an Li gewandt. »Er ist das Oberhaupt der Gläubigen, aber überall regieren mächtige Familien ihre eigenen Reiche, und seitdem sagt man, dass die Stadt im Niedergang begriffen ist. Alles scheint zu zerfallen.«
»Aus dem, was zerfällt, werden die Steine eines neuen Hauses«, sagte Li.
»Im Koran steht das aber nicht.«
»Es ist eine Weisheit von Lao-she.«
Jarmila zuckte mit den Schultern. »Sobald Firuz seine Geschäfte erledigt hat, ziehen wir weiter … Was kümmert es mich also, ob Bagdad irgendwann einmal wieder erblüht!«
»Liebst du ihn eigentlich? Ich meine Firuz?«
»Unsere Familien haben diese Ehe arrangiert. Und er ist ein guter Händler, der dafür sorgt, dass wir in seinem Haus immer gut versorgt sind.«
»Ahmad ist Fadias Sohn. Hast du auch Kinder?«
»Nicht mehr«, sagte sie. »Zweimal habe ich von Firuz ein Kind empfangen
Weitere Kostenlose Bücher