Die Papiermacherin
versuchen könnte, denn es gebe doch mehr als genug Schmiede in Jerusalem, aber dann brachte ihn Meister Wang durch seine ruhige und beharrliche Art sogar dazu, bei der Übersetzung zu helfen. Obwohl Li sich immer besser in der Sprache des Propheten ausdrücken konnte, war es in diesem Fall wichtig, dass der Schmied wirklich alles genau verstand.
Der Draht, den er einige Tage später lieferte, war jedenfalls von einer außergewöhnlich guten Qualität. Er ließ sich so leicht verbiegen, wie Li es nie zuvor erlebt hatte.
»Vielleicht liegt es an dem besonderen Mischungsverhältnis seiner Legierung«, meinte Li. »Wir sollten ihn danach fragen!«
»Er wird sicher nicht so ein Narr sein, uns solche Geheimnisse zu verraten«, meinte Meister Wang.
In Abu Khalils Haus hatte sich ein Mann mit seinem Gefolge einquartiert, der Li im ersten Moment an Thorkild Eisenbringer erinnerte, vor allem wegen der Form seines Helms. Als sie ihn das erste Mal im Innenhof der Herberge sah, zuckte sie regelrecht zusammen.
Der Fremde schien ebenso überrascht darüber zu sein, welche Wirkung seine Erscheinung hatte, und stieß Worte in der Sprache der Nordmänner hervor, vermischt mit ein paar Wörtern, die unzweifelhaft Griechisch waren.
»Entschuldige, aber du kannst nichts für mein Erschrecken«, sagte sie auf Griechisch.
»Oh, eine bekannte Zunge in diesem Haus!«, sagte der Nordmann. »Das freut mich, denn außer dir versteht hier niemand eine menschliche Sprache, während ich nicht in der Zunge dieser Leute zu reden vermag!« Der Nordmann zuckte mit den Schultern. »Aber über den Preis, den meine Männer und ich hier zu entrichten haben, konnten wir uns trotzdem einigen!«, fügte er hinzu.
»Wer bist du?«
»Man nennt mich Ragnar Rothaar Einarson oder auch einfach Ragnar den Weitgereisten.«
»Bist du ein Pilger?«
Der Nordmann lachte und setzte den Helm ab. Sein Haar war so grau wie seine Augen. Über die Stirn zog sich eine Narbe vom Haaransatz bis zur Nasenwurzel, die vermutlich von einem Schwertstreich stammte. »Ich bin ein Pilger des Mammon!«, meinte er. »Mögen andere die Grabeskirche besuchen, wo angeblich das Kreuz Jesu Christi stand – ich bin einiger Geschäfte wegen hier in Jerusalem.«
»Du kommst aus Konstantinopel?«
»Nein – nicht jetzt.«
»Aber du hast dort in der Warägergarde des Kaisers gedient.«
Die Augen von Ragnar dem Weitgereisten wurden schmal. Die Männer, die bei ihm waren, machten Bemerkungen in der Sprache der Nordmänner, die sicher alles andere als respektvoll waren. Ihrem Gelächter zufolge war es wohl besser, dass Li sie nicht verstand.
Ragnar antwortete ihnen, woraufhin sie ins Haus gingen.
Dann kam der Waräger näher.
Er trug ein gerades Schwert am Gürtel, um dessen Griff sich jetzt seine mächtige, prankenartige Hand legte. »Es gibt im Fernen Osten Menschen mit allerlei seltsamen Fähigkeiten, sagt man. Darunter viele Hellseher und Magier. Bist du auch eine Hellseherin, oder woher weißt du so viel über mich?«
»Ich weiß gar nichts über dich, sondern denke mir nur eines zum anderen. Du bist ein hellhäutiger Mann mit blauen Augen, der einen Helm trägt, wie ihn die Nordmänner bevorzugen – und sprichst Griechisch. Wo solltest du das wohl gelernt haben außer in Konstantinopel?«
»Für eine Frau hast du einen ziemlich scharfen Verstand«, gestand er zu. »Schade, dass du kein Mann bist, dann würde ich dich für meine Mannschaft anwerben!« Er maß sie auf eine so unverschämte Weise, wie das offenbar bei den Nordmännern gang und gäbe war, und fügte dann hinzu: »Für eine Frau hast du nur leider zu kleine Augen! Das mag ich nicht!«
Mit diesen Worten wandte er sich um und folgte den anderen Männern, mit denen er gekommen war.
Li bemerkte in diesem Augenblick, dass Jarmila ihr Zusammentreffen mit Ragnar dem Weitgereisten beobachtet hatte. Sie stand im zweiten Stock des Hauptgebäudes an einem der hohen Fenster, halb hinter einem Vorhang verborgen, der jetzt durch den aufkommenden Wind leicht bewegt wurde. Als Li hinaufschaute, verschwand sie.
An einem der nächsten Tage war Li zusammen mit Gao in den engen Gassen unterwegs, um etwas Haschisch zu kaufen. Die Münzen dafür hatte Li zusammengespart, indem sie mit einigen Lumpenhändlern gut verhandelte. Die Tatsache, dass sie kaum Arabisch sprach, war dabei vielleicht sogar hilfreich gewesen. Schließlich verstand sie das meiste gar nicht, was die Händler sagten, und so war sie auch vollkommen
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