Die Papiermacherin
Branaguorno.
Bruder Markus wandte sich an Arnulf. »Fra Branaguorno hat mir von dem schrecklichen Schicksal erzählt, das Euer Knappe Gero erlitten hat …«
Arnulfs Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Als ich aus dem Lager von Thorkild Eisenbringer floh, um dorthin zurückzukehren, wo wir überfallen worden waren, brauchte ich nur den kreisenden Berggeiern zu folgen. Sie hatten die Toten völlig zerrissen und nur Knochen übrig gelassen …«
»Sie hatten selbst vor einem noch Lebenden keinen Respekt«, erwiderte Fra Branaguorno. »Ich konnte mich in meinem geschwächten und elenden Zustand ihrer Gier kaum erwehren. Und so versäumte ich leider, dafür zu sorgen, dass Gero wie ein Christ beerdigt wurde …«
»Das solltet Ihr Euch nicht vorwerfen, Fra Branaguorno«, meinte Arnulf. »Auch mir blieb dazu keine Gelegenheit, denn Thorkilds Männer waren mir zu dicht auf den Fersen.«
»Er starb, noch ehe die Blüte seines Lebens richtig begonnen hatte«, sagte Fra Branaguorno daraufhin. »Aber sosehr wir es bedauern, das scheint der Lauf der Welt zu sein. Das Leben wird sinnlos genommen und verschwindet – und nur der Herr weiß, warum er den einen früh zu sich ruft und den anderen leben lässt, bis sich alle wünschen, er wäre bereits gegangen.«
Die Mahlzeit, die der Novize Andreas auf den Tisch gestellt hatte, war einfach, aber schmackhaft. Sie bestand aus Brot, Schmalz und frischem Wasser. Arnulf nahm einen kräftigen Schluck und biss in das Brot, das sogar noch warm war.
»Ihr solltet ein Badehaus aufsuchen, Arnulf«, fand Fra Branaguorno. »Und ich bin überzeugt, dass sich für Euch ein Paar neue Beinkleider und ein standesgemäßer Umhang besorgen lassen …«
Dieses Haus unterstand der Gesandtschaft des Kaisers in Magdeburg, sodass es eigentlich nicht schwierig sein durfte, genügend Geld aufzubringen, um sich für die Heimreise neu auszurüsten.
Fra Branaguornos neugieriger Blick galt immer wieder dem Schwert des Ritters, was Arnulf durchaus auffiel. Zweifellos war es dem Mönch nicht entgangen, dass es sich um eine andere Waffe als die handelte, die Arnulf sonst an der Seite getragen hatte. Schon an der Form des Handschutzes und am Griff war das deutlich erkennbar. Dazu brauchte Arnulf die Waffe nicht erst hervorzuziehen. Zudem passte die Klinge ganz offensichtlich nicht exakt in die Lederscheide an seinem Gürtel.
Arnulf legte die Hand an den Griff des Schwerts und sagte: »Es ist ein Beutestück, für das mir heute ein Kapitän aus Chrysopolis einen guten Preis machen wollte. Ich habe natürlich abgelehnt, weil es für mich unbezahlbar ist!«
Die beiden Männer wechselten einen kurzen Blick. Ein Lächeln erschien um Fra Branaguornos dünnlippigen Mund.
»Ich verstehe«, sagte er.
»Ich gab ihm stattdessen meine Sporen, um das thracische Ufer zu erreichen!«
»Ihr seid also nicht mit leeren Händen aus den Bergen jenseits von Samarkand zurückgekehrt!«
»So ist es.«
Näheres wollte Fra Branaguorno dazu im Augenblick offenbar nicht erfahren. Es würde sich eine Gelegenheit ergeben, bei der sie allein miteinander sprechen konnten. Fürs Erste reichte dem Mönch diese Information. Er wirkte jetzt etwas entspannter und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Vielleicht war unsere lange und beschwerliche Reise doch nicht umsonst«, sinnierte Arnulf, lenkte dann aber das Gespräch auf ein anderes Gebiet, obwohl Bruder Markus gerne ein paar zusätzliche Einzelheiten erfahren hätte, wie seinem enttäuschten Gesichtsausdruck anzusehen war. »Wie steht es denn um die Hochzeitsmission unseres verehrten Gesandten Johannes Philagathos?«, fragte Arnulf. »Werden wir bald wieder eine Kaiserin aus Byzanz an der Seite unseres obersten Lehnsherrn haben?«
»Im Moment stehen die Aussichten auf eine schnelle Einigung schlechter als noch vor einem Jahr, als ich Euch zum ersten Mal die Straßen dieser Stadt entlanggeführt habe, Arnulf!«, sagte Fra Branaguorno.
»So? Berichtet mir! Ich möchte genau im Bilde sein über die Beziehungen zwischen den beiden Kaisern und ihren Reichen!«
»Lasst es mich so zusammenfassen, werter Arnulf: Diese Beziehungen sind zurzeit nicht von vordringlicher Wichtigkeit. Ihr erinnert Euch, dass wir eine ziemlich formlose Audienz bei Basileios bekamen, der ja ohnehin dafür bekannt ist, das Protokoll gerne mal zu umgehen. Aber zurzeit wäre so etwas undenkbar. Die Verhandlungen von Johannes Philagathos stecken anscheinend im Morast der oströmischen Hofdiplomatie
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