Die Papiermacherin
das nur durch eine Person absoluten Vertrauens befördert werden dürfe …«
Arnulf wirkte einen Augenblick wie erstarrt.
»Wer hat das geschrieben?«, fragte er.
»Ein gewisser Petros Makarios«, gab Bruder Markus Auskunft. »Er ist der erste Logothet des Kaisers, Ihr könnt also davon ausgehen, dass dies nicht ohne das Wissen allerhöchster Kreise und wahrscheinlich des Kaisers selbst geschehen ist.«
»Ich verstehe …«, murmelte Arnulf.
»Begreift Ihr auch, was dies bedeutet? Man weiß bei Hof, dass Ihr zurückgekehrt seid. Ich weiß nicht, durch wen die Kunde dorthin gelangte, aber diese Stadt hat tausend Augen und noch mehr Ohren. Ich habe Euch von Anfang an gewarnt. Es war kein guter Vorschlag, Eure Anwesenheit verheimlichen zu wollen …« Er warf das Dokument auf den Tisch. »Dies ist nichts anderes als eine zwar diplomatisch verklausulierte, aber nichtsdestoweniger sehr unmissverständliche Aufforderung, Euch zu melden!«
»Ihr hattet Recht mit Eurer Bemerkung, dass eigentlich Fra Branaguorno anwesend sein müsste, und ich möchte die Angelegenheit auch zunächst mit ihm besprechen.«
»In dem Dokument ist eindeutig nur von Euch die Rede – wie bei dem Auftrag, ein persönliches Schreiben zu überbringen. Im Übrigen war dieser nie an Fra Branaguorno gerichtet, sondern an Euch und an niemanden sonst.«
»Könnt Ihr Euch darauf einen Reim machen?«
»Tut mir leid. Es gibt Rätsel des kaiserlichen Hoflebens, die man gar nicht erst versuchen sollte zu lösen, weil es sinnlos ist.«
»Darf ich die Nachricht einmal sehen, Bruder Markus?«
»Natürlich. Sie ist allerdings in griechischer Sprache verfasst, und ich glaube, Eure Kenntnisse darin sind sehr begrenzt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe …«
Arnulf nahm das auseinandergefaltete Blatt. Es handelte sich zweifellos um Papier und nicht um Pergament. Das hatte er sofort erkannt. Als er es zwischen seinen Fingern hielt, kam ihm die Art und Weise, wie es sich anfühlte, vertraut vor. Was die griechischen Buchstaben anging, mit denen es beschrieben war, so erkannte er tatsächlich kaum seinen eigenen Namen, der im Text Erwähnung finden sollte. Aber das war für ihn einen Moment lang nebensächlich.
Er stand auf und ging zu einem der Fenster. Trotz der Alabasterblende fiel genug Licht ein, um das Wasserzeichen erkennen zu können. Es waren ineinander verschlungene griechische Buchstaben und die stilisierte Form der Kaiserkrone. »Ich habe solches Papier schon einmal gesehen«, stellte er fest. »In Samarkand in einer kleinen Werkstatt, in der Menschen aus dem fernen Reich der Mitte arbeiteten …«
»Ich weiß nicht, was das jetzt für eine Rolle spielt, werter Arnulf!«, gab Bruder Markus irritiert zurück. »Was soll ich tun? Man erwartet eine Antwort von mir!«
»Dann schreibt, dass ich zurückgekehrt bin und mich zunächst von den Strapazen der Reise erholen musste. Man möge mir den zu überbringenden Brief zukommen lassen, und ich werde ihn dem Kaiser des Westens übergeben.«
»Dann setze ich alsbald ein Schreiben mit diesem Inhalt auf.«
»Wisst Ihr, wo hier in Konstantinopel solches Papier hergestellt wird? Papier mit einem Zeichen aus Licht?«
»Ich habe davon gehört«, sagte Bruder Markus. »Es soll irgendwo zwischen Konstantin-Forum und Hippodrom eine Werkstatt geben, von einer Frau mit geschlitzten Augen geführt, in der so etwas gefertigt wird.«
»Li …«, murmelte Arnulf.
»Was habt Ihr gesagt?«
»Nichts …«
Für Bruder Markus war dieser Name vermutlich nichts weiter als eine sinnlose Silbe. Wie viele Frauen mit geschlitzten Augen, die sich auf die Kunst verstanden, Papier mit Wasserzeichen herzustellen, mochte es in der westlichen Hälfte der Welt schon geben? Nein, dachte Arnulf von Ellingen, das konnte kein Zufall sein. Ihm stand das Gesicht der jungen Han-Frau mit ihren feingeschnittenen Zügen, dem stillen, aber hintergründig wirkenden Lächeln und den langen, dichten blauschwarzen Haaren vor Augen. Aus irgendeinem Grund war ihm das Antlitz dieser Frau seit ihrer Begegnung in Samarkand nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Die Erinnerung an jenen Moment wurde wieder lebendig, da sie in der Nacht vor ihm stand und ihn vor Thorkild Eisenbringer zu warnen versuchte. Vielleicht hätte ich diese Warnung ernster nehmen sollen, ging es ihm durch den Kopf. Aber es war müßig, jetzt darüber nachzusinnen.
Die Worte des Mönchs hörte er wie aus weiter Ferne.
»Ich war nie ein Freund des Papiers«, sagte
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