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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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denken, deutsch essen. Fatih konnte doch schon in der ersten Klasse perfekt Deutsch und Arzu war ein Klon von Anna. Das waren keine echte Türken.«
    »Du bist doch auch kein echter Türke«, sage ich.
    »Sei jetzt lieber vorsichtig, was du sagst«, sagt Ahmed, »ich habe zwar den deutschen Pass, aber eine türkische Seele!«
    Der Vater sagte ihm schon in der Grundschule, er solle sich zusammenreißen, immer artig sein, sich ein Vorbild an seinem Cousin nehmen und eine Lehre machen. Dann könne er bei ihm im Betrieb anfangen. Wie ein richtiger Türke. Herr Sontheimer sagte Ahmed in der Grundschule, er solle sich zusammenreißen, sich besser benehmen und sich ein Vorbild an den Klassenbesten nehmen, dann schaffe er es aufs Gymnasium. Wie ein richtiger Deutscher. Aber Ahmed wollte nicht aufs Gymnasium und nicht in den Betrieb. »Mich hat nie jemand gefragt, was ich wollte«, sagt er, »mir haben die immer nur gesagt, was ich nicht darf.« Niemand hat Ahmed etwas zugetraut. Nur die Jungs vor dem Son Durak trauen ihm was zu. »Ahmed, du Professor«, ruft einer, »wie heißt dieser eine Maler, du weißt schon, der Teuerste. Mit blauer Phase, roter Phase, grüner Phase.« »Picasso heißt der, lan«, ruft Ahmed zurück. »Siehst du«, sagt er zu mir, »du hältst mich für einen Idioten, die halten mich für schlau.« Ich sage, dass ich ihn doch gar nicht für einen Idioten halte. Aber Ahmed hat sich von mir noch nie etwas sagen lassen. »Erzähl mir nichts«, sagt er. Er will mir dann zeigen, dass er es trotzdem zu etwas gebracht hat, dass er ganz bürgerlich wohnt. »Langweilig«, sagt Ahmed. Ich glaube, er denkt noch immer, dass ich ihn für einen skrupellosen Dealer halte. Ich sage ihm nicht, dass ich längst weiß, wo er wohnt.
    »Wunder dich nicht, falls wir Abdul über den Weg laufen«, sagt Ahmed, als er die Haustür aufschließt, vor der ich schon vergeblich auf ihn gewartet habe, »er wohnt auch hier im Haus. Ich habe ja gesagt, dass ich ihn nicht aus den Augen lasse.« Aber seitdem Abdul sich nicht mehr so oft aufregt, hat er auch keine Asthmaanfälle mehr. Abdul hat sich jetzt sogar bei der Polizei beworben. »Dann würde er mal die Richtigen verkloppen«, sagt Ahmed.
    In der Küche sitzt Ahmeds Frau. Die Tochter schläft. »Abdul hat zwei Kinder«, sagt Ahmed, »zwei Söhne, der Glückspilz!« Die Frau sagt, sie hätten doch auch Glück mit ihrer Kleinen. »Ja, ja, ich weiß«, sagt Ahmed. Die Frau ist ebenso braun gebrannt wie Ahmed, ihre Haare sind blondiert und gelockt, sie trägt ein enges Oberteil – und macht keine Anstalten, Tee zu kochen, wie Ahmed es einst angekündigt hatte, als er mich zu sich einlud. Die Wohnung ist spärlich eingerichtet, Fotos der Tochter hängen an der Wand, sonst ist kaum etwas Persönliches zu entdecken. »Ahmed, mein Süßer, ich muss los«, sagt die Frau, »du passt auf, ob sie aufwacht, ja?« Ahmed murmelt etwas. »Gibst du deiner Freundin keinen Kuss, wenn sie geht«, fragt die Frau. Ahmed schmatzt ihr auf die Wange.
    »Deine Freundin?«, frage ich, als die Tür ins Schloss gefallen ist.
    »Wir sind nicht verheiratet«, sagt Ahmed, »aber wir kennen uns fast unser ganzes Leben. Wir haben schon zusammen auf der Straße gespielt, als wir ganz klein waren. Sie war immer ein süßes Mädchen.«
    »Du hast immer von deiner Frau gesprochen. Ich dachte, ihr seid verheiratet.«
    »Verheiratet oder nicht. Ist doch egal. Mann, du solltest wissen, dass man nicht jedes Wort von mir auf die Waage legen sollte«, sagt Ahmed.
    »Auf die Goldwaage«, sage ich.
    Ahmed verdreht die Augen.
    Ahmeds Frau, die eigentlich seine Freundin ist, arbeitet in einem Schönheitssalon. Ihre Eltern fragen jede Woche, wann Ahmed sie denn heiraten werde, aber Ahmed hält nichts von der Ehe. »Wieso sollte ich so viel Geld für ein Fest ausgeben«, sagt er, »wenn ich nicht an Allah und die ewige Treue glaube.«
    »Das klingt eher deutsch als türkisch«, sage ich.
    »Nein, das klingt berlinerisch«, sagt Ahmed.
    Abdul sei anders. Der habe früh geheiratet und während Ahmed sich immer weniger für die religiösen Bräuche seiner Familie interessierte, sei Abdul immer gläubiger geworden. »Der fastet auch noch«, sagt Ahmed, »wahrscheinlich ist er deshalb zweimal mit einem Sohn belohnt worden.«
    Wenig später kommt Abdul in den zweiten Stock runtergelaufen, um etwas abzuholen. Er ist nicht mehr bleich, jedenfalls sieht man das nicht, er ist sonnenstudiogebräunt, offenbar ein Familienbrauch. »Hey«,

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