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Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit

Titel: Die Parallelklasse - Ahmed ich und die anderen - Die Luege von der Chancengleichheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Bauer
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Frage, was mit den Kindern passiere, die er nicht in der Privatschul-Klasse seiner Tochter haben will, weiß der Mann keine Antwort. Um die werde man sich dann an den »normalen« Grundschulen schon kümmern.
    Danach treffe ich einen grünen Bezirkspolitiker. Eine Stunde lang sagt er sehr kluge Sachen. Er beklagt sich über die sinkende Solidarität in der Bevölkerung, über linke Weggefährten, die jahrelang Vielfalt predigten und für ihre Kinder doch rein deutsche Schulen suchen. Der Mann sagt: Wenn man Multikulti will oder interkulturelles Zusammenleben oder eben einfach nur Frieden, dann muss man auch etwas dafür tun. Dann muss man sein Kind auf eine Multikulti-Schule schicken. Die linken Eltern, sagt der Mann, denken aber nicht mehr an das große Ganze, sondern nur noch an das Wohl des eigenen Kindes. So sei das heutzutage. Wir leben in einer egoistischen Zeit, sagt der Mann. Nach dieser Stunde sagt er, all das dürfe er natürlich gar nicht sagen, niemals in seinem Namen. Denn diese Eltern, über die er sich aufregt, sind seine Wähler. Zum Schluss habe ich noch eine Frage an den grünen Politiker: Was für eine Schule hat sein Sohn besucht? Eine freie Schule, eine private, in einem anderen Teil der Stadt, sagt der Mann.
    Der Politiker und der Mann mit dem Hut, früher Brüder im Geiste, bezeichnen sich heute als Kontrahenten. Aber beide haben dasselbe Problem: Theorie und Praxis passen in ihrem Leben nicht mehr zusammen. Der Mann mit dem Hut ist viele Jahrzehnte dafür eingetreten, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt gehören und dass der Zuzug aus allen möglichen Ländern etwas Gutes ist und man fremde Kulturen respektieren muss. Und dann, sagt er, musste er erleben, dass Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und von rücksichtsvollem Miteinander nichts wissen wollen, die Schulen in seiner Nachbarschaft terrorisieren. Und er fand, dass die lasche Integrationspolitik daran Schuld sei. Er sagt, in der Theorie klang Multi-Kulti nach einem Traum. In der Praxis sei es der Horror. Der Politiker schwingt noch heute große Reden auf das Miteinander der Kulturen in seinem Bezirk. In der Theorie funktioniert alles. Aber er weiß, dass die Praxis anders aussieht, er weiß, dass Geld und Zeit fehlen. Er weiß, dass seine Wähler von der Theorie nichts mehr hören wollen. Beide sagen, sie wollen nur das Beste. Der eine für sein Kind. Der andere für die Gesellschaft.
    Ich weiß mittlerweile, dass ich meinen Sohn, wenn er zur Schule geht, nicht auf die nächstbeste Grundschule schicken werde. Auf keine Schule, an der er mit »amana sikim« begrüßt wird. Ich habe auch ein Theorie-Praxis-Problem. Ich würde ihn gerne auf die nächstbeste Schule schicken. Ich erwarte von diesem Land, dass es eine Bildungspolitik betreibt, die keine guten und schlechten Schulen hervorbringt, die nicht frühzeitig zwischen guten und schlechten, verwertbaren und nutzlosen Schüler unterscheidet. Ich finde es schrecklich, dass die Schulklassen heutzutage oft den sozialen Klassen entsprechend aufgeteilt sind. Vor einigen Monaten noch hätte ich deshalb gesagt, dass ich mein Kind auch auf einer Problemschule in Neukölln anmelden würde. Aus Prinzip. Dass mein Kind dort lernen würde, sich durchzusetzen. Jetzt finde ich diese Vorstellung unvorstellbar. Er soll eine unbeschwerte, gute Schulzeit haben, eine Schulzeit, an die er sich gerne erinnern wird. Eine Schulzeit, wie ich sie hatte. Er soll nicht aus Prinzip die trübe Suppe auslöffeln, die Jahrzehnte verfehlter Bildungs- und Integrationspolitik seiner Generation eingebrockt haben. Nicht, damit sein Vater ein reines Gewissen hat. Mein Bekannter in München hatte gesagt, er wolle sein Kind nicht für seine politischen Ideale opfern. Ich habe mich über ihn geärgert. Ich kann noch immer nicht fassen, dass er und seine Frau »ausländisch« aussehende Kinder gezählt haben. Aber ich verstehe jetzt, was der Bekannte gemeint hat. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich denke, wir sollten rechtzeitig umziehen, bevor unser Sohn eingeschult wird. Manchmal denke ich nun, dass ich meinen Sohn nicht opfern möchte.
    Ich erschrecke dann vor mir selbst. Und vor der Gesellschaft, in der wir leben.

Der Autor dankt:
    Allen ehemaligen Mitschülern und Lehrern. Für die Zeit und die Geschichten.
    Allen anderen Menschen, die ich auf dieser Spurensuche getroffen habe. Für die Informationen und die Emotionen.
    Meinem Lektor Martin Mittelmeier. Für die Geduld und die

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