Die Partie. Thriller (German Edition)
Geschichte studiert. In Mannheim.«
»Spannend«, sagt Meier. »Dann können Sie vielleicht auch erklären, wozu das eigentlich gut sein soll mit den Quadraten. Hab ich nie verstanden.«
»Na ja, Mannheim wurde ja erst 1607 als Stadt gegründet und komplett auf dem Reißbrett entworfen. Damals waren die Städteplaner den Idealen der Renaissance verpflichtet, suchten also nach einem möglichst schlichten Stil und zogen die Straßenlinien auf dem Stadtplan wie in einem Schachbrett. Später sagte man sich, wenn die Stadt schon aussieht wie ein Schachspiel, warum nicht gleich die Straßennamen gegen Ziffern und Nummern für die einzelnen Häuserblocks austauschen. Und so kommen wir zu unserer Straßennummerierung, die einmalig ist auf der Welt.«
»Einmalig ja. Aber es versteht halt keiner.« Meier lacht.
Kimski sieht in den Rückspiegel und starrt Eva an. Sie erwidert seinen Blick. Dann steigen sie aus. Kimski stellt sich vor Eva.
»Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Sie sich erst einmal im Hintergrund halten müssen, bis wir die Lage in der Wohnung überprüft haben. Am besten warten Sie im Flur, bis ich Sie hereinbitte.«
»Kein Problem.«
»Falls ich Sie hereinbitte«, ergänzt Kimski und vergräbt die Hände in den Hosentaschen seines weißen Leinenanzugs. Er kommt nicht darum herum, bei diesem Wetter lange Hosen und ein Jackett zu tragen – kurze Hosen sind für Beamte nicht gestattet, und das Jackett ist nötig, um die Dienstwaffe darunter zu verbergen. Ein paar Mal haben die Kollegen im Revier ihn wegen seines Anzugs bereits aufgezogen.
Na, machst du wieder einen auf Miami Vice, Kimski , hat Kommissar Vollmer ihn heute Morgen gefragt. Nur, ob du in dem Fummel so smart aussiehst wie Don Johnson, ist die Frage.
Als sie an der Haustür ankommen, hält Kimski inne und sieht sich um. »Sag mal, Meier, hast du eigentlich irgendwo einen Notarztwagen gesehen?«
»Nee. Aber die kommen doch auch oft mit dem Taxi.«
»Wo ist dann das Taxi? Normalerweise müssen die Taxifahrer auf den Notarzt warten, wenn sie ihn fahren.«
Sie steigen hinauf in den ersten Stock. Als sie zur Wohnung kommen, sehen sie, dass die Tür hier ebenfalls nur angelehnt ist.
»Sind wir hier richtig?«
Meier zieht den Zettel aus der Tasche, den er von Pflüger erhalten hat, und nickt.
»Sie warten hier«, betont Kimski noch einmal, als er die Tür aufschiebt und weiterläuft. Meier folgt ihm, Eva bleibt stehen.
Der Mief, der Kimski entgegenstößt, ist schwer und modrig. Die Luft ist abgestanden und riecht nach fauligem Holz. Nur wenig Licht fällt in das Ein-Zimmer-Apartment, dunkle Gardinen an den Fenstern lassen kaum Tageslicht in den kleinen Raum. Als Kimski den ersten Schritt machen will, bleibt er mit seinen Füßen an etwas hängen.
»Was ist das denn?«
Sie schließen die Tür hinter sich. Kimski drückt den Lichtschalter. Ohne Erfolg. Seine Augen gewöhnen sich nur langsam an das Halbdunkel. Doch auch als er klarer sehen kann, ist weder ein Notarzt noch eine Leiche zu sehen. Stattdessen ist der gesamte Fußboden mit unzähligen Büchern übersät. Kimski bückt sich und hebt eines auf. Es sieht aus wie ein antiquarisches Buch, mit ledernem Einband und braunem Buchrücken. Den Titel in Frakturschrift kann er nicht genau erkennen. Er legt das Buch wieder auf den Boden und sieht auf. Die Wände sind kahl. Die vergilbte Tapete hängt in Fetzen herab. Von der Decke baumelt nur ein loses Elektrokabel herunter. An einer der Wände steht ein großer Eichenholzschrank.
»Irgendwas stimmt hier nicht.«
Er greift zu seinem Taschentuch und tupft seine Stirn ab. Wieder diese unerträgliche Hitze.
»Ich sehe im Bad und in der Küche nach«, sagt Meier und verschwindet im Nebenzimmer.
Ein unbehagliches Gefühl beschleicht Kimski. Er zieht seine Pistole und hält sie mit beiden Händen umschlossen. Er sieht sich um. Außer dem Schrank gibt es keine Möbel in der Wohnung. Nur einen kleinen hölzernen Beistelltisch in einer Ecke am Fenster. Darauf steht ein Schachbrett, und da ist auch noch etwas anderes. Kimski setzt sich in Bewegung, um sich den Tisch näher anzusehen, aber er hat Schwierigkeiten, sich seinen Weg durch die Bücher zu bahnen, die an manchen Stellen bis auf Kniehöhe aufgetürmt sind.
»Die Küche ist sauber, da ist nichts, nicht mal Geschirr oder ein Stuhl oder so was. Nur ein alter rostiger Gasherd, aber der sieht so aus, als wäre er schon lange nicht mehr benutzt worden«, bemerkt Meier, der aus dem Nebenraum
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