Die Partie. Thriller (German Edition)
Kehle heiß. Meier liegt mit ausgestreckten Armen zwischen dem Türrahmen. Sein Körper ist verdreht wie ein Fragezeichen. Die Augen sind aufgerissen. Von der Mitte seiner Stirn aus läuft ein breiter rötlichbrauner Fluss.
»Guter Schuss, was?« Pflüger ist direkt hinter Kimski getreten und vergräbt die Hände in den Hosentaschen.
Kimski schluckt, um seinen ausgetrockneten Rachen zu befeuchten. Als er sich umdreht, sieht er, dass ein Mann von der Spurensicherung seine Dienstwaffe in der Hand hält.
»Moment mal!«
»Ihre Waffe, oder?«, fragt Pflüger. Er wartet keine Antwort ab. »War noch warm, als ich kam. Haben Sie auf jemanden geschossen?«
»Nein!«
»Hm, ja. Die Zeugin hat auch nur einen Schuss gehört. Und eine Kugel steckt in Meiers Kopf.«
»Zeugin?«
»Diese Reporterin, Sie haben sie doch selbst mitgeschleppt. Hat sich im Treppenhaus versteckt, als sie den Krach gehört hat. Sie hat ausgesagt, dass jemand aus der Wohnung gestürzt kam und aus dem Haus rannte. Leider konnte sie die Person von ihrer Position aus nicht sehen. Dann ist sie ins Zimmer gelaufen und hat vergeblich versucht, Sie zu wecken, hat Meier entdeckt und schließlich die Polizei angerufen.«
Kimski sieht seiner Pistole hinterher, die in einem Plastikbeutel verschwindet. Pflüger beobachtet seinen irritierten Blick.
»Es hilft nichts, Kimski. Wir müssen Ihre Waffe überprüfen. Könnte ja sein, dass der tödliche Schuss damit abgegeben wurde.«
Kimski sieht ihn mit großen Augen an. »Sie können gerne einen Schmauchspurentest an meinen Händen durchführen lassen. Dann werden Sie sehen, dass ich nicht geschossen habe!«
»Mein lieber Herr Kimski.« Pflüger verschränkt die Arme hinter dem Rücken und drückt seinen Brustkorb vor. »Was den Schmauchspurentest betrifft – da merkt man, dass Sie lange keine Tatortarbeit mehr gemacht haben. Neuste wissenschaftliche Experimente haben gezeigt, dass bei einem Pistolenschuss in einem Raum von dieser Größe noch acht Minuten später so viele Metallpartikel herumschwirren, dass selbst jemand, der nach der Tat eintritt, mehr Blei an sich kleben haben kann als der Schütze, der sofort weggelaufen ist. Außerdem – es hat doch niemand behauptet, dass Sie auf Ihren Kollegen geschossen haben. Wir befürchten nur, die Kugel könnte aus Ihrer Waffe abgefeuert worden sein.« Pflüger schweigt einen Moment, dann setzt er nach: »Oder sollte ich mir etwa Sorgen um Sie machen?«
»Nein, ich ...« Er hält sich den Kopf.
»Es ist ja auch schon so schlimm genug, wenn Ihnen jemand Ihre Dienstwaffe abgenommen hat und damit einen anderen Polizisten erschossen hat. Was haben Sie beim SEK eigentlich gelernt, Kimski?«
Einen kurzen Augenblick verspürt Kimski den Impuls, seinem Vorgesetzten eine Kopfnuss zu geben. Er zählt bis zehn und versucht, an etwas Schönes zu denken.
»Wobei«, fährt Pflüger fort, »es gibt da natürlich auch noch eine andere Variante, was hier passiert sein könnte. Passen Sie auf.«
Pflüger tritt in die Mitte des Raums.
»Sie betreten mit Ihrem Kollegen diese Wohnung. Sie erwarten, einen Notarzt vorzufinden, aber da ist niemand. Das kommt Ihnen komisch vor. Wie Sie es von Ihren Einsätzen beim SEK gewohnt sind, ziehen Sie sofort Ihre Waffe. Meier geht ins Badezimmer, um sich umzusehen. Sie bleiben in diesem Zimmer. Plötzlich öffnet sich hinter Ihnen die Schranktür.«
Pflüger deutet auf den offen stehenden Dielenschrank.
»Irgendjemand springt aus dem Schrank hervor, Sie reißen Ihre Waffe hoch. Auf einmal hören Sie ein Geräusch aus der anderen Richtung. Erschrocken drehen Sie sich um, sehen eine Gestalt und schießen, bevor Sie überhaupt bemerkt haben, dass es sich um Ihren Kollegen handelt. Trotzdem ein sauberer Schuss. Geübt ist geübt. Wir normalen Polizisten können ja fast nie auf dem Schießstand trainieren. Wie dem auch sei. Der Kerl aus dem Schrank nutzt die Verwirrung, schlägt Sie hinterrücks nieder und verschwindet.«
Kimski läuft Pflüger hinterher. Er tastet seinen Hinterkopf ab und spürt eine massive Beule. »Nein! So war das nicht!«
»Sie wissen aber auch nicht, wie es sonst gewesen sein könnte?«
»Ich kann mich doch an nichts erinnern!«
»Ach stimmt. Sie haben ja Amnesie. Das hat uns gerade noch gefehlt. Aber ist ja egal. Wir werden die Indizien schon irgendwie zusammenbasteln. Die interessanteste Frage bleibt erst mal, warum ein Unbekannter zwei Polizisten in ein Apartment lockt. Und was eigentlich diese ganzen Bücher
Weitere Kostenlose Bücher