Die Patin
Beschwerde! Ich habe michdoch heute vorbildlich benommen«, sagte Nelly. »Und Julius war auch nur lieb. Der Einzige, der sich voll daneben benommen hat, war dieser schrecklich verwöhnte Panz Emily.«
Das stimmte leider. Ich setzte mich neben Julius an den Esstisch und zog ihn auf meinen Schoß. »Sie ist wirklich ... eine Herausforderung für mich.«
»Sie hat böse Augen«, sagte Julius.
»Sie ist ein Biest«, sagte Nelly. »Genau wie Lara, nur in klein. Und je netter du zu ihr bist, desto biestiger wird sie, glaub mir! Wenn du was bei ihr erreichen willst, musst du andere Saiten aufziehen.«
Julius schmiegte sich enger an mich und gähnte noch mal herzhaft. »Sprechen wir von Emily oder von Lara?«, fragte ich. »Was ist denn ...«
Nelly unterbracht mich: »Du bist doch nicht so naiv und denkst, der Weg zu Antons Herz führt über das Herz seiner Tochter? So ist das bei Männern nicht. Du musst das Eisen schmieden, solange er noch heiß auf dich ist.«
Ich sah meine Tochter irritiert an. »Seit wann bist du Expertin in Herzensangelegenheiten?«
»Immer schon«, sagte Nelly und warf die langen hellen Haare in den Nacken, die sie von mir geerbt hatte. »Ich habe da einfach eine natürliche Begabung für. Wahrscheinlich wäre ich Vize-Landesjugendmeisterin im Analysieren von Beziehungskisten, wenn es solche Meisterschaften gäbe.«
Ich witterte eine maximale Chance, den Spieß umzudrehen und zur Abwechslung mal sie daran zu grillen: »Und wie analysierst du Max' Beziehung zu dir? Und warum ist deine beste Freundin plötzlich ein Biest?«
»Oh, das ist einfach: Max liebt mich. Er findet, ich bin das schönste, klügste und netteste Mädchen, das er jemals kennen gelernt hat«, sagte Nelly bereitwillig und machte dabei ein Gesicht, als sei sie ganz seiner Meinung. Als habe sie sich niemals über ihre Körpergröße, ihre Sommersprossen, ihren fehlendenBusen und ihre viel zu großen Füße mokiert. Hätte ich in ihrem Alter derartiges Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, hätte meine Mutter alles darangesetzt, mich wieder zurück auf den Boden zu holen und meinen bereits vorhandenen Komplexen noch einige hinzuzufügen. Ich war weiser als meine Mutter und tat nichts dergleichen. Da draußen gab es schon genug Menschen, die es auf unser Selbstbewusstsein abgesehen hatten, da brauchte man nicht noch jemanden, der im eigenen Haus darauf herumhackte.
»Das Einzige, was Max an mir stört, ist, dass ich in Moritz verliebt bin«, setzte Nelly hinzu.
»Oh«, sagten Julius und ich enttäuscht.
»Und Moritz?«, fragte ich.
»Ist in Lara verliebt.« Nellys Miene hatte sich verdüstert.
Ich verkniff mir ein zweites »Oh«. »Und Lara?«
»Lara ist ein Biest«, sagte Nelly. »Sie war eigentlich in Max verliebt, aber weil sie bei ihm nicht landen konnte, ist sie jetzt mit Moritz zusammen. Obwohl sie genau weiß, dass ich in Moritz verknallt bin.«
»Dann könntest du doch ...«, begann ich hoffnungsvoll.
»Wie simpel denkst du eigentlich«, fauchte Nelly. »Ich kann mich nicht einfach in Max verlieben, er ist ein Streber! Total uncool.«
»Das stimmt gar nicht«, verteidigte ich Max. »Er ist sogar sehr cool, finde ich. Denk nur mal an das coole Baumhaus, was er dir gebaut hat. Und er singt in dieser coolen Band, die Schuh-Heuler, die sollen wirklich gut sein. Und ...«
»Ach, Mama, du hast doch nun wirklich keinen Schimmer davon, was cool ist und was nicht«, sagte Nelly. »Und die Band heißt Schuleulen, was ja wohl ein bescheuerter Name ist.«
Ich war fast ein bisschen erleichtert, dass sie am Ende dieses seltsamen Abends doch wieder ganz die Alte geworden war.
»Weißt du«, sagte ich und streichelte Julius über die hellblonden Schafslöckchen. »Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass Max dich für immer und ewig liebt. Wer weiß, vielleichtwird dir ja erst klar, was du an ihm hast, wenn er mit einer anderen geht. Mit Laura-Kristin zum Beispiel.«
Nelly lachte verächtlich. »Laura-Kristin wird immer nur ein armseliger, pickeliger, pummeliger Ersatz sein. Mit der kannst du mir wirklich nicht drohen. Wenn ich mich schon in einen anderen Jungen verlieben muss, dann sicher nicht in Max.« An dieser Stelle nahm ihr Gesicht einen leicht verträumten Ausdruck an. Für einen Augenblick wünschte ich mir beinahe, auch noch einmal vierzehn zu sein. Aber wirklich nur für einen Augenblick.
24. Juni
Bin noch völlig fertig mit den Nerven: Wisst ihr; wer eine Fehlgeburt hatte? Mimi Pfaff, die Frau, die
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