Die Patin
Joanne ist nicht mal im Kindergarten, das Geld gibt Bianca lieber für sich aus. Dafür schleppt sie das Kind aber mit in die Kneipe von ihrem sauberen Freund Bernhard, wo sie dann den ganzen Tag flippern darf und Cola trinkt!«
Wir standen eine Weile ratlos vor den Abgründen, die sich vor uns aufgetan hatten.
»Na ja, ich wollte Sie damit gar nicht belasten«, sagte Jo schließlich und kratzte sich etwas verlegen am Kopf »Schließlich kenne ich Sie ja gar nicht. Auf jeden Fall schon mal vielen Dank, dass Sie Joanne gerettet haben. Und vielleicht sieht man sich ja noch mal.«
»Sicher«, sagte ich so freundlich ich konnte.
Und Anne setzte hinzu: »Wir kommen hier öfter zum Brötchenholen vorbei. Vielleicht können die Kinder ja mal zusammen spielen?«
»Ja«, sagte Jo traurig. »Aber ich hab sie ja nur jedes zweite Wochenende. Trotzdem: Sie waren wirklich sehr nett. Wiedersehen, und danke noch mal.«
»Nichts zu danken«, sagte ich. »Wir sind schließlich die Mütter-Mafia. Die Super-Women der Insektensiedlung.«
»Und ich habe schon gedacht, nur unsere Familie sei total verkorkst«, sagte Laura-Kristin auf dem Heimweg.
»Nein, keine Sorge«, sagte Max. »Wir haben auch alle einen an der Waffel, stimmt's, Mama? Vor allem mein Papa. Von dem könnte ich dir Geschichten erzählen, die glaubst du nicht. Stimmt's, Mama? Unsere Familiengeheimnisse haben es doch auch ganz schön in sich.«
»Ja, aber deshalb sind es ja auch Geheimnisse«, sagte Anne. »Jede Familie hat ihre Geheimnisse, mein lieber Junge, und es ist klüger, nicht darüber zu reden. Das schweißt zusammen.« Dann beugte sie sich zu mir hinüber und flüsterte: »Er sah super aus, dieser Jo, oder? Ich habe schon lange keinen so gut aussehenden Mann kennen gelernt.«
»Das stimmt«, gab ich zu. »Und er ist wieder zu haben.«
»Der Ärmste«, sagte Anne. »So pleite wie der ist, will ihn doch keine!«
*
Als ich Mimi am nächsten Morgen besuchte, war ich positiv überrascht, dass sie sich offenbar geduscht hatte. »Du riechst gut«, sagte ich.
Mimi sah mich gereizt an. »Ist das so ungewöhnlich?«
»In letzter Zeit schon«, sagte ich. »Stör ich dich wieder bei einer Talkshow?«
»Allerdings«, sagte Mimi und ging vor mir her ins Wohnzimmer, wo sie sich in die bewährte Kuhle auf dem Sofa plumpsen ließ.
Ich sah mich im Wohnzimmer um. Es war nicht unbedingt aufgeräumt, aber es sah schon viel besser aus als beim letzten Mal. Irgendjemand musste zwischendurch mal Staub gesaugt haben.
»Das war nicht ich«, sagte Mimi, als habe sie meine Gedanken erraten. »Das war Ronnie. Wahrscheinlich hat er sich darüber schon bei seiner Mama ausgeheult: Mami, Mami, ich muss immer alles sauber machen, weil die böse, unfruchtbare Mimi so faul ist ...«
Sie guckte wieder auf den Fernseher. »Der wäre auch mal ein Fall für eine Talk-Show.«
»Und was ist heute das Thema? Ich bin vierzehn, und der blöde Arsch will nicht für meine Drillinge zahlen?«
»Ruhe«, sagte Mimi. »Ich dulde dich überhaupt nur, weil du die Einzige bist, die mir nichts mitbringt.«
»Ja, Geiz ist eben doch manchmal für etwas gut«, sagte ich und war heilfroh, dass Nelly die pikanten Möhren-Zwiebel-Hackfleisch-Muffins aufgefuttert hatte, die ich extra für Mimi gebacken hatte.
»Ich hasse es, vor anderen zu heulen«, sagte Mimi. »Aber wenn sie mir sagen, wie furchtbar ich mich doch fühle, dann muss ich einfach immer losheulen. Es ist so demütigend. Und es ist deine Schuld. Vorher hatte ich mich unter Kontrolle.«
»Aber du kommst doch augenblicklich gar nicht unter Menschen«, sagte ich und setzte mich auf meinen angestammtenPlatz, den Hocker vor den Fernseher. »Und wenn doch, dann bewirfst du sie mit Gegenständen, so wie Trudi.«
»Ich werfe doch nur mit Gegenständen, damit sie mich nicht zum Heulen bringen«, sagte Mimi. »Aber so schnell kann man manchmal ja gar nicht um sich werfen! Und jetzt sei still, ich möchte das sehen.«
Ich hatte gar nicht so falsch gelegen: Die Talkshow hatte das Thema »Sie will mir ein Kind unterjubeln. Heute wird sich zeigen, ob ich wirklich der Vater bin!«.
Ein dickes junges Mädchen mit getigerten Ponysträhnen und Zahnlücke lächelte angestrengt in die Kamera. »Natürlich ist der Justin von dem Robert, das sieht man doch! Außerdem sieht der Justin genauso aus wie meine erste Tochter, und da ist der Robert ja auch der Vater von.«
»Kennen wir die nicht?«, fragte ich. »Also, die war doch neulich
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