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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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schaudernd. Ich fand, sie hatte sich seit unserer letzten Begegnung herausgemacht: Sie war deutlich weniger pummelig, undauch die Pickel waren nicht mehr so zahlreich. Eigentlich war sie ein ganz hübsches Mädchen.
    »Ja, wahrscheinlich hätten sie dich erwischt«, sagte Nelly. »Aber jetzt ratet mal, wer der Typ war, dem Hannibal und Lecter gehören!«
    Keiner wusste es.
    »Sie gehören Kevin Klose«, sagte Nelly bedeutungsvoll. »Kevin Costner?«, fragte Laura-Kristin mit großen runden Augen.
    »Klose!«, sagte Nelly ungeduldig. »Kevin Klose! Er ist neu in unserer Schule!«
    »Ich dachte, er heißt Calvin?«, sagte ich.
    »Ich heiße ja auch nicht Nele«, fauchte Nelly.
    »Der Kevin mit der Tätowierung am Hintern?«, fragte Laura-Kristin.
    »Weiß ich doch nicht«, sagte Nelly.
    »Ich will zu meinem Papa«, erinnerte uns das kleine Mädchen, das wir vor dem sicheren Tod durch Zerfleischen gerettet hatten. Vor dem höchstwahrscheinlich sicheren Tod.
    »Kannst du dich denn erinnern, wie du heißt?«, fragte ich.
    »Dschoh-Ähn«, sagte das kleine Mädchen.
    »Und mit Vornamen?«, fragte ich.
    »Das ist der Vorname, du Dumme«, sagte Nelly.
    »Was soll das sein? Mongolisch?«
    »Sie heißt Joanne«, übersetzte Laura-Kristin mit ihrer lieben, sanften Stimme. »Und wie heißt du sonst noch, Joanne?«
    »Joanne Reiter«, sagte Joanne.
    Max schlug alle Reiters im Telefonbuch nach. Keiner davon wohnte in der Insektensiedlung.
    »Wir sind ja auch gerade erst hergezogen«, sagte Joanne.
    »Du bist nicht zufällig mit Kevin verwandt?«, fragte Nelly.
    »Weißt du vielleicht, wie die Straße heißt, wo ihr wohnt?«, fragte Laura-Kristin.
    Joanne schüttelte den Kopf»Vielleicht gibt es ja etwas Besonderes in eurer Straße? Irgendwas, was dir aufgefallen ist?«
    »Da ist nur der Bäcker«, sagte Joanne, und wir atmeten alle auf Es gab nur einen Bäcker in der Siedlung, und der lag im Hirschkäferweg.
    Wir machten uns alle zusammen auf den Weg. Mittlerweile war es nach acht.
    Nelly bekam eine SMS von Lara. »Lebst du noch? Wenn nein, bekomme ich auch das T-Shirt von Kookai?«, las sie empört vor. »Und Moritz möchte deinen iPod. Also, die spinnen ja wohl!«
    Sie schrieb zurück: »Bin unversehrt bis auf mein Herz, das ihr mir mit voller Absicht gebrochen habt. Muss mir für morgen dringend deine Iceberg-Jacke ausleihen.«
    »Und ich sage dir, wir sollten das Jugendamt informieren«, flüsterte Anne mir zu, als wir in den Hirschkäferweg einbogen. »Der Spielplatz liegt doch ganz am anderen Ende der Siedlung, und die können so ein kleines Kind unmöglich ohne Aufsicht so weit laufen lassen. Das würde ja selbst ich nicht machen.«
    »Stimmt«, sagte ich.
    Joanne zeigte auf ein rotes Mehrfamilienhaus gegenüber vom Bäcker. »Da wohnt mein Papa«, sagte sie froh.
    Der Name »Reiter« war mit Tesafilm an einen der oberen Klingelschalter geklebt. Als wir läuteten, knisterte uns aus der Gegensprechanlage ein müdes »Ja, bitte?« entgegen.
    »Wetten, der ist besoffen?«, flüsterte Anne. »Wahrscheinlich hat er nicht mal gemerkt, dass seine Tochter weg ist.«
    »Ja, hallo«, sagte ich in den Lautsprecher. »Wir bringen Ihre Tochter Joanne vorbei.«
    Die Gegensprechanlage knisterte nur noch.
    »Haha, er denkt sicher, wir sind vom Jugendamt«, sagte Anne schadenfroh. »Wahrscheinlich sucht er hektisch nach einem Hemd, versteckt die vierzig leeren Bierflaschen unterm Sofakissen und zählt seine übrigen sechs Kinder. Eins, zwei, ... scheiße! Ich kenne diese Sorte Proleten nur zu gut.«
    Noch während sie den letzten Satz sprach, wurde die Haustür aufgerissen. Ein blonder Hüne mit Nickelbrille starrte uns alle entgeistert an. Der Mann war außer Atem, er musste das Treppenhaus im Schweinsgalopp runtergerannt sein.
    »Papa!«, rief Joanne und warf sich in seine Arme. Zu meiner Erleichterung war er vollständig angezogen. Er hatte auch keine Bierfahne.
    »Aber was tust du denn hier?«, wollte der Hüne wissen und warf uns über Joannes Kopf fragende Blicke zu. »Sind Sie Freunde von Bernhard und Bianca?«
    »Von Bernhard und Bianca?«, wiederholte ich verdattert. »Der Mäusepolizei?«
    »Ich sag ja, Delirium, da sehen sie weiße Mäuse«, flüsterte Anne.
    »Die gemeinen Hunde haben Annes Schuh zerkaut«, sagte Joanne. »Und ganz böse geguckt. Genau wie Bernhard immer.«
    »Bernhard hat einen Schuh zerkaut?« Joannes Papa sah immer verwirrter aus.
    »Nein, nein«, sagte Anne. »Das war Hannibal Lecter.«
    »Der Massenmörder

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