Die Patin
als Pharmareferentin oder so etwas Ähnliches. Sie sah aus, als ob sie den neuen Appetitzügler der Firma an sich selber ausprobiert hätte.
»Ach, hallo, Cornelia«, sagte sie zu mir.
»Hallo«, sagte ich. Es war zwecklos, Sabine darauf hinzuweisen, dass ich eigentlich Constanze hieß. Sie merkte es sich aus Prinzip nicht.
»Ist Frau Pfaff da? Wir haben gehört, was passiert ist, und wollten ihr ein paar Blumen vorbeibringen«, sagte Frauke, das lange Pferdegesicht mitleidig verzogen.
»Danke«, sagte ich und wollte ihr den Strauß aus der Hand nehmen. »Da freut sie sich sicher.«
Aber Frauke zog den Blumenstrauß eifersüchtig an sich. »Wir würden ihn ihr schon gerne selber überreichen.«
»Das geht leider nicht«, sagte ich. »Sie ist, äh, bettlägerig und kann niemanden empfangen.«
Frauke und Sabine tauschten einen viel sagenden Blick.
»Es macht nichts, wenn sie ihre Haare nicht gewaschen hat oder ungeschminkt ist«, sagte Frauke mit verschwörerischem Unterton. »Wir haben auch Verständnis dafür, wenn es unordentlich aussieht. Ihr Mann hat uns über ihre Depressionen informiert. Er ist wirklich sehr besorgt, der Ärmste.«
War Ronnie von allen guten Geistern verlassen? Wie kam er denn dazu, ausgerechnet diesen Hyänen von Mimis Zustand zu erzählen? Außerdem hatte sie keine Depressionen. Sie war nur traurig. Und warf ab und an mit Sachen um sich.
»Sie kann leider keine Besuche empfangen«, wiederholte ich stur. Es war sicher auch in Fraukes und Sabines Interesse, wenn sie Mimi nicht zu nahe kamen. Sie könnten ja irgendwas an den Kopf kriegen.
»Dich konnte sie ja auch empfangen«, sagte Sabine mindestens genauso stur wie ich und schob sich mit Karsta an der Hand einfach an mir vorbei. »Ich kenne sie schon eine Ewigkeit. Wir sind alte Freundinnen vom Studium.«
Das war gelogen. Ich wusste von Mimi, dass sie sich nie hatten leiden können. Das wollte ich Sabine gerade mitteilen, als Mimi selber in den Flur hinauskam. Wahrscheinlich lief gerade Werbung auf allen Talk-Show-Kanälen, und sie war auf dem Weg zum Klo. Ich war froh, dass sie geduscht hatte und statt des fleckigen Yoga-Outfits der letzten Tage saubere Jeans und ein T-Shirt trug. Ihre Haare waren immerhin gewaschen, auch wenn sie in ungekämmten Kringeln vom Kopf abstanden, und was das fehlende Make-up anging: Mimis Rehaugen wirkten durch die langen, schwarzen Wimpern und die dunklen Ringe ohnehin wie geschminkt, es hatte ein bisschen was von diesem »Heroin«-Look, der unter manchen Models sehr gefragt ist. Sie sah so zart und verletzlich aus, dass ich sie am liebsten zurück ins Wohnzimmer gezerrt hätte, damit Frauke und Sabine sie nicht in Stücke reißen konnten.
Aber die Hyänen wetzten schon ihre Zähne.
»Sie liegen ja gar nicht im Bett«, sagte Frauke erfreut. »Wir von der Mütter-Society der Insektensiedlung wollten ...«
»... gerade wieder gehen?«, ergänzte ich. Mimis Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Was würde sie tun? Mit Gegenständen werfen oder in Tränen ausbrechen?
»... unser allerherzlichstes Beileid ausdrücken«, sagte Frauke unbeirrt. »Es tut uns so Leid. Wir wissen gar nicht, was wir sagen sollen.«
»Dann haltet doch einfach die Klappe«, sagte ich, aber keiner hörte auf mich.
»Mimi, Süße, das ist ja eine ganz schreckliche Sache«, sagte Sabine und verpasste Mimi zwei Luftküsschen links und rechts. »Du musst dich furchtbar fühlen.«
»Ziemlich furchtbar«, sagte Mimi, und ihre Unterlippe begann zu zittern. Oh nein! Wenn sie jetzt nicht nach der Holzkuh auf dem Sims hinter sich griff und damit nach Sabine warf würde es zu spät sein.
Sabine nahm fürsorglich Mimis Arm. »Wein dich ruhig mal richtigaus, Mimi«, sagte sie und führte sie hinüber ins Wohnzimmer. Karsta dackelte nebenher. Mimi konnte ihre Tränen kaum noch zurückhalten, ich hörte es an der Art, wie sie schniefte.
Frauke drückte mir den Nelkenstrauß in die Hand und folgte den beiden. »Stiele noch mal anschneiden«, wies sie mich über die Schulter an.
»Du hast wirklich allen Grund zu weinen«, sagte Sabine ermunternd, und Mimis Tränen fingen an zu fließen. »Erst hat es so lange nicht geklappt, und dann verlierst du das Kind.« Sie hatte Mimi bis zum Sofa gelotst und setzte sich nun neben sie.
Karsta stürzte sich mit einem Jauchzer auf die Katzen, die bei Karstas Anblick erschreckt vom Sofa gestoben waren.
»Niekchekakchen!«, schrie sie begeistert und erwischte den kleinen, braunen Kater gerade noch am
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