Die Patin
das Wichtigste ist ja sowieso, dass er seine Tochter zurückbekommt. Ich wünschte, du hättest diesen Bernhard gesehen. Und du hast wirklich keine Zeit? Ich könnte dir auch etwas von unserem Punsch anbieten. Julius und ich haben ihn selber gemacht: Limette-Zitrone-Papaya.«
»Nein, danke«, sagte Anton. »Meine Mutter hat einen Termin, und sie hasst es, wenn man sie warten lässt. Ich bin nur kurz vorbeigekommen, um dich was zu fragen.«
»Ja?«, fragte ich. Meine Kopfhaut fing an zu prickeln.
»Was machst du nächsten Samstag?«, fragte Anton.
»Da bringe ich meine Kinder zum Flughafen«, sagte ich schwermütig.
»Das trifft sich doch gut«, sagte Anton und zwinkerte verheißungsvoll. »Dann brauchst du keinen Babysitter zu engagieren.«
Ich zwinkerte verheißungsvoll zurück. »Wofür denn?«
»Am Abend findet ein Essen bei meinen Eltern statt, und ich hätte gern, dass du mich begleitest«, sagte Anton.
»Oh«, sagte ich, und die Verheißung verpuffte schneller als ein Tropfen Wasser in einer heißen Pfanne.
Es handele sich um ein sehr wichtiges Essen, erklärte mir Anton. Alsleben Pharmazeutik war im Begriff, mit einem kleinen, aber sehr erfolgreichen Naturheilmittelbetrieb zu fusionieren, dessen Chef, Leonhard Körner, ein alter Freund von Antons Vater war. Beide Betriebe, Alsleben und Körner, waren Familienunternehmen, und es war wichtig, dass die beiden Familien einander mochten und respektierten und sozusagen zu einem einzigen großen Familienunternehmen zusammengeführt werden konnten.
»Aber ich arbeite doch gar nicht für Alsleben«, sagte ich.
»Aber du gehörst zur Familie«, sagte Anton, und es klang ein bisschen verlegen. »Sozusagen.«
Ich spürte, wie mir der Unterkiefer herabklappte, ich konnte nichts dagegen tun.
»Ich weiß, mit uns beiden, das läuft alles ein bisschen schleppend an, aber wir sind doch ein Paar, oder?«, sagte Anton. »Jedenfalls erzähle ich überall rum, dass du meine Freundin bist.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte ich schnell und guckte dabei auf den Fußboden, um zu verbergen, dass ich feuerrot geworden war. »Ich erzähle auch allen möglichen Leuten von dir. Peinlich wird es nur, wenn sie fragen, wie du im Bett bist.«
Anton zog eine Augenbraue hoch. »Sag einfach, ich bin fantastisch«, schlug er vor. »Also, kommst du mit?«
»Weiß deine Mutter denn, dass du mich mitbringen willst?« Ich fürchtete, sie würde »Tut mir Leid, aber wir kaufen nichts« sagen, wenn ich bei ihr vor der Tür stünde.
»Natürlich«, sagte Anton. Als ich nichts erwiderte, setzte er hinzu: »Und sie ist entzückt.«
Ich war mir ziemlich sicher, dass er log. Aber da ich meinerseits so entzückt darüber war, dass Anton mich offiziell als seine Freundin bezeichnete, schenkte ich ihm ein strahlendes Lächeln und sagte: »Ich komme gerne.«
»Wunderbar«, sagte Anton. »Johannes wird auch da sein. Vielleicht habt ihr ja Zeit, eure Schachpartie weiterzuspielen.«
Meine Kiefer verspannten sich sofort wieder. »Ja, das wäre schön«, brachte ich mit etwas Mühe hervor.
»Also, dann bis Samstag!« Anton gab mir einen Kuss. »Oh, beinahe hätte ich es vergessen: Emily hat dir ein Bild gemalt.« Er zog ein zusammengerolltes Blatt Zeichenpapier aus seinem Jackett und überreichte es mir. »Ich glaube, mit dem Barbiekleid hast du ihr Kinderherz endgültig erobert.« Er gab mir noch einen Kuss, schwang auf dem Absatz seiner italienischen Schuhe herum und eilte mit einem eleganten Bogen an Hannibal und Lecter vorbei zu seinem Leihauto.
Ich rollte die Zeichnung neugierig auseinander. Sollte Emily mich tatsächlich in ihr Kinderherz geschlossen haben? Wenn das so war, würde ich ihr noch dutzende Kleider aus alten Schwiegermuttervorhängen nähen.
Aber Anton hatte sich die Zeichnung offensichtlich nicht genau angeschaut. Auf den ersten Blick sah es bunt und fröhlich aus. Eine Prinzessin mit schwarzen Haaren und einem blauen Kleid hielt Händchen mit einem Prinzen in einem schwarzen Anzug. Sie standen auf einer Wiese mit lauter Erdbeeren, und im blauen Himmel über ihnen schwebten Luftballons und ein roter Doppeldeckerbus, aus dem zwei weitere schwarzhaarige Prinzessinnen winkten. Neben dem Erdbeerfeld ragte ein Turm in den Himmel, und ganz oben auf dem Turm stand eine Frau mit gelben Haaren, auf die gerade ein großer schwarzer Vogel niederstieß. Er musste schon mehrmals zugestoßen haben, denn überall auf der Frau waren rote Filzstiftpunkte zu erkennen. Zwei weitere
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