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Die Peitschenbrüder

Die Peitschenbrüder

Titel: Die Peitschenbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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ihnen nichts ausrichten konnten. Das kam jedoch selten vor.
    Wie bei einer Treibjagd zog sich der Ring der Peitschenbrüder um den Hof zusammen. Kein Mensch erschien, um ihnen Widerstand zu leisten. Unter dem Knallen der Peitschen drangen sie in das Wohngebäude und die Ställe ein.
    Die Bauern waren geflohen. Alle Ponys, die bevorzugten Reittiere in Yortomen, hatten sie mitgenommen. Kühe mit prallen Eutern brüllten vor Schmerzen. Sie waren tagelang nicht gemolken worden. Die Peitschenbrüder verschafften ihnen Erleichterung und stillten ihren Durst. Goltans Peitsche trennte einem Ochsen den Kopf ab. Kurz darauf brannten zwei Feuer zwischen den Ställen, über denen das Fleisch gebraten wurde.
    Sar drang mit einem halben Dutzend Männern ins Wohngebäude ein. Kein Stein blieb auf dem andern, bis sie alles gefunden hatten, was die Bauern an wertvollen Dingen zurückgelassen hatten. Es war nicht der Rede wert. Goltan verteilte das Geschmeide an die Frauen, wobei Sar wie immer den größten Anteil bekam, und die Waffen an die Männer.
    Sie rasteten drei Stunden, schlugen sich die Bäuche voll und versorgten sich mit Proviant. Ein Fass von selbstgekeltertem Wein sorgte dafür, dass die Bande in der richtigen Stimmung war, um den Weg nach Lockwergen fortzusetzen. Bevor sie aufbrachen, steckten sie die Ställe in Brand und trieben das Vieh hinaus.
    Ohne Zwischenfall erreichten sie in den frühen Abend stunden die Hauptstadt an der Küste. Und tatsächlich war es so, wie die Leute in den Dörfern um Thormain herum, ganz nahe an der Elvenbrücke, gesagt hatten. Lockwergen war verlassen. Die Peitschenbrüder sahen eine Geisterstadt vor sich, in der es keine lebende Seele mehr zu geben schien.
    Goltan triumphierte. »Vorwärts, Brüder und Schwestern!« brüllte er. »Die Stadt gehört jetzt uns! Wir werden Beute machen wie noch nie und uns für alle Zeiten gesundstoßen! Zuerst die Stadt, dann plündern wir den Palast!«
    Die Aussicht auf die Schätze, die in Lockwergen auf sie warteten, ließ die ohnehin berauschten Peitschenbrüder alle Gerüchte um die unheimliche Waffe der Caer vergessen. Mit Goltan an der Spitze drangen sie grölend und mit den Peitschen knallend in die Außenbezirke ein. Selbst Jesserk vergaß seine Furcht und sein Vorhaben, Sar zu töten. Das hatte Zeit. Er wollte nicht zu kurz kommen.
    *
    Am späten Nachmittag hatten Mythor, Kalathee, Nottr und Sadagar eine Handvoll verschieden alte Menschen entdeckt, Männer und Frauen, die sich ebenso wie das Mädchen in die hintersten Winkel ihrer Häuser zurückgezogen hatten und dort auf irgend etwas zu warten schienen. Sie antworteten nicht auf Fragen, saßen nur da und starrten ins Leere.
    Mythor wusste nicht, ob sie nicht reden und ihn und die Freunde nicht sehen konnten oder wollten. Jeder von ihnen schien in einer anderen Welt zu leben. Alle hatten den gleichen starren Blick und bewegten hin und wieder die Lippen, als ob sie mit jemandem redeten, der sich, nur für sie sichtbar, in jenseitigen Räumen befand.
    Vielleicht können sie ihre Angehörigen sehen, dachte Mythor. Nicht wirklich mit den Augen, sondern auf andere, unbegreifliche und erschreckende Weise. Wieder, immer wieder stellte er sich die Frage, was in dieser Stadt geschehen sei.
    Inzwischen hatten sich die Gefährten einen genaueren Eindruck von Lockwergen verschaffen können. Sie hatten ihr Quartier in einem verlassenen Gasthaus am großen freien Marktplatz, dem Zentrum der Stadt, bezogen. Hier trafen sie sich, wenn sie von ihren Ausflügen zurückkehrten, da es ihnen erfolgversprechender erschien, getrennt weiterzusuchen. Sie bezweifelten allerdings, dass sie noch etwas anderes finden würden als apathisch da sitzende Menschen, die die Katastrophe überlebt hatten.
    Mythor, der im Gasthaus auf die Rückkehr der drei anderen wartete, schüttelte den Kopf. Von einem Überleben konnte man kaum sprechen. Es gab keine Leichen in Lockwergen. Mythor schätzte, dass hier zehn-, vielleicht zwanzigtausend Bürger gelebt hatten - und das nicht schlecht. Lockwergen war eine Stadt des Wohlstands gewesen. Die Männer und Frauen, die die Freunde gefunden hatten, waren noch prächtiger gekleidet als die Menschen auf den Bildern, die in jedem Raum hingen. Eine Stadt des blühenden Handels und der Künste.
    Eine Herausforderung an die dunklen Mächte, dachte Mythor grimmig.
    Aber was hatten sie davon, alle Bewohner verschwinden zu lassen? Befand sich eine Caer-Armee in diesen Augenblicken auf dem Weg hierher,

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