Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Ippanuk-Gletschers. Mühelos fügten sie sich in die Abläufe, die sich auf dem Hinweg eingespielt hatten. Das Wetter blieb gut. Sie reisten durch eisige Tage mit klarem Himmel und Nächte klirrenden Frostes. Nach fünf Tagen erreichten sie den Gletscher und überquerten ihn ohne Zwischenfälle. Dharin schätzte, dass sie binnen einer Woche wieder in Murask eintreffen würden, wenn das Wetter weiterhin hielt. Maerad graute vor der Rückkehr; sie hatte das Baumlied oder zumindest die Hälfte davon, doch was konnte sie damit anfangen? Was sollte sie als Nächstes tun?
Am Tag nach der Überquerung des Gletschers hielten sie in einer Senke für das stündliche Entwirren der Hundegeschirre. Sie arbeiteten sich von gegenüberliegenden Enden des Gespanns vor und begegneten sich in der Mitte, um so wenig Zeit wie möglich dafür zu benötigen. Maerads Furcht vor Hunden hatte sich mittlerweile völlig gelegt, sodass sie mit ruhigen, planvollen Handgriffen arbeitete.
Sie hatten die Aufgabe gerade beendet und überlegten, ob sie zu Mittag essen sollten, bevor sie weiterfuhren, da begann das Rudel zu bellen und zu heulen und stemmte sich gegen das Geschirr. Maerad hatte die Hunde noch nie so erlebt; im Großen und Ganzen verhielten sie sich bei der Arbeit ruhig. Sie schaute zu Dharin; mit Erschrecken sah sie, dass er zum Schlitten rannte, sich auf den Fahrerstand stellte und ihr bedeutete einzusteigen. Furchtsam spähte sie um sich, konnte jedoch keinerlei Anzeichen für ein Ärgernis erkennen. Sie entsandte ihr Gehör und stellte sogleich fest, weshalb die Hunde kläfften: Aus jeder Richtung näherten sich ihnen Schlitten. Von plötzlichem Grauen gepackt wurde ihr klar, dass die Senke, in der sie angehalten hatten, den perfekten Ort für einen Hinterhalt darstellte. Obendrein wehte kein Lüftchen, weshalb sogar die Hunde niemanden in der Nähe gewittert hatten, bis es zu spät war, einem Aufeinandertreffen zu entrinnen.
Unwillkürlich tastete Maerad an ihrer Seite nach ihrem Schwert und besann sich fluchend, dass es im Schlitten lag. Sie war von der Gewohnheit abgewichen, es ständig bei sich zu tragen, weil sie es mit all der Winterkleidung als zu sperrig empfand. Hastig rannte sie zum Schlitten, kletterte auf ihren Platz und zerrte die Waffe hervor. Dharin ließ das Gespann so schnell lospreschen, dass Maerad fast vom Schlitten fiel. »Jussacks!«, schrie Dharin. »Wir müssen sie abschütteln. Es sind mindestens zwei Schlitten, wahrscheinlich mehr, und in einem Kampf können wir nicht gegen sie bestehen.«
»Ich glaube, es sind eher sechs oder mehr«, erwiderte Maerad. Sie schaute zurück und erspähte vier Schlitten, die über dem Kamm auftauchten. Die Schlitten der Jussacks wirkten wesentlich leichter als jener Dharins, zudem beförderte jeder nur einen Mann. Entsetzt erkannte sie, dass sie schneller waren, obwohl ihre Hunde nicht annähernd so kraftvoll aussahen wie Dharins Rudel. Die Jussacks selbst trugen ebenso wie Maerad und Dharin schwere Winterkleidung. Jeder Mann hielt in einer Hand eine keulenähnliche Waffe und steuerte mit der anderen den Schlitten. Sie hatten helle Bärte , die ihnen in zwei geflochtenen Strängen vom Kinn hingen, und etwas an ihren Gesichtern wirkte seltsam, irgendwie missgebildet, doch auf die Entfernung konnte Maerad es nicht genau ausmachen.
Die Hunde rannten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Es gab keinen erkennbaren Pfad, und die Gefahr, auf ein Hindernis zu stoßen, wuchs, je schneller sie fuhren. Dann erblickte Maerad zwei weitere Schlitten vor ihnen. Auch zu beiden Seiten bestand keine Hoffnung auf Flucht, zumal sie mittlerweile ein schmales Tal entlangrasten. Dharin trieb die Hunde mit scharfer Stimme weiter an, und irgendwie gelang es ihnen, noch eine Spur schneller zu laufen. Dennoch war es aussichtslos; sie konnten nicht wenden, somit bestand ihre einzige Hoffnung darin, an den Jussack-Schlitten vor ihnen vorbeizukommen.
Maerad stand auf, hielt sich an den Latten fest, um sich zu stützen, und zauberte einen Schutzschild um sie. Dann bereitete sie sich darauf vor, die Jussacks beiseitezuschleudern, um mit dem Schlitten an ihnen vorbeizurasen. Sie bündelte die Macht in sich und wurde von einem jähen Hochgefühl erfasst, als sie spürte, wie unendliche Kraft durch ihre Adern strömte; sie feuerte einen Lichtblitz auf den nahesten Schlitten.
Nichts geschah. Maerad taumelte und stürzte um ein Haar. Es war nicht wie bei dem Untoten mit dem Schwarzstein, der ihre Kraft
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