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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Kapitel
     
Delirium
    Maerad war in einer Traumwüste gefangen. Seltsame orangefarbene Dünen erhoben sich Woge um Woge vor ihr wie ein endloses Meer aus Sand. Eine goldene Schlange schwamm vor ihr durch den Sand; sie drehte sich und starrte sie mit einem rubinroten Auge an. Maerad stürzte vorwärts in das Auge, das riesig wurde wie eine Feuergrube, und die Flammen umzüngelten sie schmerzlos. Ihre Haut schrumpelte, wurde schwarz und blätterte ab. Zurück blieben ihre Gebeine auf dem Sand in einer endlosen Wüste des Durstes; Maerad schrie auf, und ihr Mund füllte sich mit Wasser oder Blut. Sie konnte weder die Arme noch die Beine bewegen, und ihr ganzer Leib brannte vor Kälte oder Hitze; sie vermochte es nicht zu sagen. Matt bäumte sie sich auf, als kämpfte sie dagegen an zu ertrinken, und Schwärze stieg aus dem Boden auf und umfing sie. Maerad befand sich auf einem Schlitten, an Händen und Füßen gefesselt. Über ihr strich ein grenzenloser weißer Himmel hinweg. Sie hörte das Hecheln rennender Hunde, ihre nahezu geräuschlosen Tritte im Schnee, das Zischen des Schlittens und heiseres Gebrüll aus Männerkehlen in einer Sprache, die sie nicht erkannte. Sie schaute nach rechts: Neben ihr liefen weiße Wölfe, stark und schnell. Einer sah sie an und schien zu grinsen, während ihm eine rote Zunge aus dem Maul hing. Dann, während sie hinsah, schwollen die Schultern des Tieres an. Schwingen sprossen daraus, und es erhob sich in den Himmel. Verängstigt wandte sie sich ab und blickte in ein bärtiges Gesicht, umsäumt von blonden Haaren. Erfüllt von einem plötzlichen Hass, dessen Gründe sie nicht kannte, versuchte sie zu spucken, doch ihr Mund fühlte sich völlig ausgetrocknet an. Hände hoben sie an und gaben ihr Wasser. Sie schluckte; es brannte in ihrem Mund wie Feuer, aber es befeuchtete ihn. Sie spuckte in hellblaue Augen, die darob blinzelten und verschwanden. Dann schwappte wieder Dunkelheit über ihr zusammen.
    Maerads Mutter, Milana von Pellinor, stand vor ihr in einem Turm aus Glas. Aus ihrem Gesicht sprach untröstliche Trauer. In den Armen hielt sie Hem, nicht, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte, sondern als Säugling. Beide wandten sich zu Maerad um, die sich außerhalb des Turmes befand. Eine Tür gab es nicht. Maerad überkam das Bedürfnis, zu ihnen zu eilen, wieder die Umarmung ihrer Mutter zu spüren. Verzweifelt hämmerte sie mit den Händen gegen das Glas, bis sie bluteten, doch sie konnte es nicht zerbrechen; sie schlug und schlug, bis sie die Knochen ihrer Hand sehen konnte, die wie zerbrochene weiße Zweige in einer Masse aus Blut und Fleisch wirkten.
    Nach jenem Traum erwachte Maerad. Die Welt rings um sie schien wirklich zu sein. Hem ist tot, dachte sie; der Traum hat es mir verraten. Er ist tot, hingemordet wie jeder andere, den ich je geliebt habe. Der Gedanke beschwor keine Tränen herauf. Tränen und Gram lagen hinter ihr; sie war bar jeder Empfindung, wie eine leere Hülle, leicht wie eine Feder. Ihr gesamter Körper brannte vor Schmerzen, abgesehen von ihrer linken Hand, die sich fast völlig taub anfühlte.
    Sie war gefesselt, das war kein Traum. Anscheinend war sie an einem Schlitten festgebunden. Nach und nach fiel ihr ein, was ihr widerfahren war; sie erinnerte sich an Dharins Tod und den darauf folgenden Kampf gegen die Jussacks. Maerad blinzelte und versuchte, ihre Umgebung zu erkennen. Sie befand sich auf einem Schlitten, der über die endlosen Ebenen von Zmarkan glitt. Die Jussacks hatten sie gefangen genommen. Dharin hatte gesagt, sie würden sie töten, doch das hatten sie nicht getan. Maerad wünschte, sie hätten es getan. Alles, was sie noch wollte, war zu sterben. Selbst das war ihr verweigert worden. Nach Cadvans Tod hatte sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, sich selbst zu töten, doch damals hatte das Leben in ihr aufgeschrien und um seinen Fortbestand gefleht. Nun war selbstjenes Flehen aus dem tiefsten Innern ihres Körpers verschwunden. Die Dunkelheit wirkte freundlich und warm; sie erwartete sie, ein finsterer Tümpel, in den sie gleiten und in dem sie für immer ruhen konnte, frei von Kummer, frei von Qualen und vor allem befreit von dem Gefühl, in allem versagt zu haben.
    Als das blonde Gesicht wieder auftauchte, wandte sie sich ab und schloss Augen und Mund, damit man ihr nichts zu essen oder zu trinken geben konnte. Ihr Kopf wurde angehoben, und Wasser aus einer Lederflasche wurde ihr zwischen die Lippen hindurch eingeflößt. Maerad war zu

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