Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Fang; wie viele waren bereits gestorben, um sie zu beschützen? Die Pilanel hatten ihr gesagt, dass die Jussacks den Winterkönig verehrten, und wenn ein so bedeutender Mann wie Amusk ausgesandt worden war, um sie zu fangen, bedeutete dies, dass der Winterkönig sie unbedingt haben wollte. Ich bin eine Trophäe, dachte sie verbittert, und das inzwischen nicht nur für die Finsternis und das Licht, sondern auch für die Elementare. Zweifellos würde der Winterkönig sie dem Namenlosen ausliefern.
Als der Hexer Amusk sie das nächste Mal untersuchte, zeigte er sich mit ihrem Zustand insgesamt weniger unzufrieden, nur bei einem näheren Blick auf ihre linke Hand schürzte er die Lippen. Drei Finger wiesen eine merkwürdige Farbe auf, ein dunkles Purpur, und sie spürte sie überhaupt nicht mehr. Er wandte einen Heilzauber an, der jedoch wenig bewirkte.
Diesmal konnte Maerad der Unterhaltung ein wenig folgen, wenngleich sie sich ihre Sprachkenntnisse nicht anmerken ließ, teils aus eigener Vorsicht, teils um Nim zu schützen. Sie schnappte auf, dass sie sich nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt befanden, vielleicht noch eine Woche. Kurzzeitig überkam sie Erstaunen: Sie hatten tatsächlich die gesamte Weite der Arkiadera von einer Seite zur anderen durchquert. Das Holzgeländer wies fünfundzwanzig Kerben auf. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie nicht wusste, wie viele Tage sie nach ihrer Gefangennahme bewusstlos gewesen war, mussten sie ungemein rasch gefahren sein.
Maerad musterte Amusk eingehend. Er ähnelte Nim in keiner Weise; mittlerweile fragte sie sich, wie sie die Jussacks je untereinander verwechseln konnte. Sein Gesicht war schmal und grausam, und Maerad fand, dass er wesentlich abgezehrter aussah als bei seinem letzten Besuch in ihrem Zelt. Gut, dachte sie; offenbar hat er hart zu kämpfen, um die Herrschaft über mich nicht zu verlieren. Aufgrund Nims Äußerung achtete sie auf Anzeichen von Furcht, als er sie untersuchte, aber aus seinen Augen sprach eine Kälte, die nichts preisgab. Unter seiner frostigen Musterung regte sich Hochmut in ihr, und sie weigerte sich, den Blick von ihm abzuwenden, wenngleich sie spürte, dass er gewohnt war, dass die Menschen in seiner Gegenwart die Augen niederschlugen. Insbesondere Frauen, dachte Maerad. Aber wenn er sie in gutem Zustand haben wollte, konnte er sie nicht zu hart bestrafen. Tatsächlich bestrafte er sie gar nicht. Diesmal versuchte sie nicht, mit ihm zu sprechen, und er redete ohnehin nicht mit ihr. Nachdem er gegangen war, bestätigte Nim, dass sie bald in Arkan-da eintreffen würden.
»Ich vermute, danach werde ich dich nicht mehr sehen«, sagte er.
»Ich werde flüchten«, erwiderte Maerad. »Und nach Annar reisen. Das solltest du auch tun.«
»Ich muss mich um meine Großmutter und meine Schwester kümmern«, entgegnete Nim. »Mein Vater ist auch tot, und sonst gibt es niemanden, der für sie sorgt. Ich kann mein Volk nicht verlassen.«
»Dann werden wir uns vielleicht nicht wiedersehen. Es sei denn, eines Tages herrscht Friede in unseren Ländern, dann können wir einander besuchen.« Es war eine kindische Vorstellung, trotzdem sprach Maerad sie aus. Tatsächlich schienen jegliche Worte über irgendeine Zukunft bloße Träumerei zu sein. Nim lachte. »Mein Volk ist nicht friedfertig«, gab er zurück.
»Friede ist besser als Töten«, entgegnete Maerad.
»Das finde ich auch.« Danach schwieg Nim; er schien sich an etwas zu erinnern. »Früher habe ich gerne Wildblumen mit meiner Schwester gepflückt. Wir wurden losgeschickt, um Beeren zu holen, und haben stattdessen Blumen gepflückt. Meine Mutter war jedes Mal sehr wütend darüber.«
Maerad bedachte ihn mit einem fragenden Blick. »Eine alte Frau hat mir erzählt, dass die Jussacks ihre Frauen in Löchern im Boden halten«, sagte sie. »Das stimmt nicht. Pilanel lügen«, spie Nim ihr entgegen.
»Na ja, vielleicht lügen die Jussacks ihrerseits auch über die Pilanel. Der Mann, den ihr getötet habt - mein Vetter, Dharin ä Lob-var-, vielleicht hat auch er gerne Blumen gepflückt, statt Beeren zu sammeln.«
Danach schwieg Nim fast eine Stunde lang. Maerad legte sich mit bleiernen Augen zum Schlafen hin. Obwohl sie sich nicht mehr so krank fühlte, fiel es ihr nach wie vor schwer, sich zu bewegen. Sie war ziemlich sicher, dass Amusk sie beinahe getötet hätte, als er sie gefangen nahm. Mittlerweile galt all ihr Hass ihm und dem Winterkönig. Ihre düsteren Gedanken
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