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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war. Sie konnte spüren, wie Amusks Bann sie härter bedrängte, und nahm sein Siegesgefühl wahr, als ihr Widerstand ins Stocken geriet, woraufhin sich unwillkürlich Verachtung in ihr regte. Es war nicht Amusk, der ihr zusetzte. Als sie einen hohen Bogen aus schwarzem Stein erreichten, herrschte zweifellos Nacht. Der Schlussstein des Bogens befand sich hoch über der Straße, und als sie sich ihm näherten, konnte Maerad fühlen, wie ihr Furcht den Magen zuschnürte. Der Pfad verlief durch den Bogen auf einen natürlichen, von hohen Felspfeilern gesäumten Hof. Am fernen Ende ragte die dunkle Flanke eines Berges auf. Der Bogen schien aus einer Art poliertem Basalt zu bestehen, den seltsame Reliefs überzogen; die Meißeleien wirkten so gestochen scharf, als wären sie erst am Vortag angefertigt worden, obschon der Bogen selbst uralt aussah. Er stand völlig alleine, ohne Gebäude ringsum. Die Macht, die von ihm ausging, ließ Maerad ihre ganze Ohnmacht fühlen.
    Trotz heftiger Peitschenhiebe wollten die Hunde einfach nicht unter dem Bogen hindurch, und schließlich stiegen die Jussacks fluchend von den Schlitten ab. Maerad wurde befohlen, vor ihnen zu gehen. Die Angst der Männer war nachgerade greifbar. Maerad ergriff hastig ihre Leier und schlang sie sich vorne unter den Mantel, dann trat sie hinaus auf die Erde. Sogleich knickten die Knie unter ihr ein. Jemand trat sie; sie krümmte sich um die Leier zu einem Ball und spürte, plötzlich völlig teilnahmslos, die Kälte des Bodens am Gesicht. Die Jussacks sollten sie treten, so viel sie wollten. Sollten sie sie ruhig töten. Weitere Flüche ertönten; zwischen Amusk und zwei der anderen Männer entbrannte ein Streit. Nim schwieg. Letztlich wurde Maerad auf die Beine gehievt, und ihre Arme wurden um Nims und Amusks Schultern geschlungen, sodass ihre Zehen über den Boden schleiften. Die übrigen drei Jussacks blieben bei den Schlitten zurück.
    Als sie unter dem Bogen hindurchgingen, umfing eine unvorstellbare Kälte ihr Herz, und alles in ihr erstarrte zu Eis.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
     
Der Eispalast
    Maerad glaubte zu träumen. Ihr war warm, so herrlich warm wie nie, seit sie Murask vor acht Wochen verlassen hatte. Sie lag in einem behaglichen Bett, gekleidet in ein langes Nachthemd, das ihr bis zu den Zehen reichte. Ihre Haut fühlte sich seidig und rein an, ihr über Felle ausgebreitetes Haar roch frisch gewaschen und nach süßen Kräutern.
    Maerad setzte sich auf und sah sich erstaunt um. Sie befand sich in einem Raum, der aus etwas gefertigt schien, das wie Mondstein anmutete: Die Wände wirkten durchscheinend und schimmerten mit einem matten Licht. Sie streckte die Hand aus und berührte eine davon; sie fühlte sich kalt, jedoch nicht unangenehm an. Vor ihr erblickte sie einen mit einem schmucklosen himmelblauen Vorhang bedeckten Durchgang. Auf dem Boden, der aus demselben Material wie die Wände bestand, lag ein üppiger Läufer derselben Farbe.
    Blinzelnd wischte Maerad sich die Haare aus den Augen, dann erstarrte sie und blickte auf ihre linke Hand hinab, die irgendwie missgebildet wirkte. Sie ließ sie auf die Felldecke sinken, als gehörte sie ihr nicht, und begutachtete sie abermals. Drei Finger fehlten. Sie besaß noch einen Daumen, einen Zeigefinger und die Hälfte des Mittelfingers bis zum ersten Knöchel, danach folgte eine saubere weiße Narbe. Schmerzen empfand sie keine.
    Mit einer Art benommener Verwunderung betrachtete sie die Hand, dann breitete sie die rechte Hand neben sich auf der Felldecke aus. Dort trug sie am dritten Finger den goldenen Ring, den Ardina ihr geschenkt hatte. Eine Weile starrte Maerad auf dessen aufwändiges Muster aus verschlungenen Lilien, um sich zu beruhigen. Wenn sie die linke Hand nicht ansah, fühlte sie sich genauso an wie zuvor, als hätte ihr Verstand Geisterfinger als Ersatz für die fehlenden erschaffen. Sie krümmte die linke Hand, um ihre neue Form zu spüren, dann verbarg Maerad sie unter der Decke. Jetzt ist es nur noch  eine hässliche Klaue, dachte sie. Wie soll ich jetzt Leier spielen? ‘Sie sah sich um. Wo bin ich überhaupt ? Bin ich am Ende tot ? Aber wenn ich tot wäre, wieso sollten mir dann Finger fehlen?
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Ihre letzte Erinnerung war, wie sie unter dem schwarzen Bogen auf der Straße in den Bergen hindurchgeführt wurde. Ihr war klar gewesen, dass es sich um den Eingang zu Arkan-da gehandelt hatte, der Feste

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