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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Gleichgewicht nicht achteten. Und das wäre die schlimmere Niederlage.«
    Maerad hegte Zweifel über diese Äußerung, schwieg aber vorläufig. Sie dachte an all die Grausamkeiten ihrer Kindheit in Gilmans Feste und die Böswilligkeit der Finsternis. Dabei fielen ihr Zeiten ein, in denen sie töten musste, um das eigene Leben zu retten. Sie hatte stets mit tiefstem Unbehagen empfunden, dass sie durch das Töten selbst irgendwie verwundet wurde, auch wenn es notwendig gewesen war, auch wenn sie es für völlig gerechtfertigt gehalten hatte. Dennoch fand sie, dass es Gelegenheiten geben mochte, bei denen sich das Licht solche Ritterlichkeiten nicht leisten konnte.
    Nerili musterte sie mit stetem Blick, dann fügte sie hinzu, als hätte sie den Kern ihrer Gedanken wahrgenommen: »Im Verzicht auf Macht liegt eine große Kraft, die jene, die von der Gier nach Herrschaft geblendet sind, nicht begreifen können, weil diejenigen, die wahrhaftig lieben, keine Macht begehren. Unter Barden wird das häufig als der Weg des Herzens bezeichnet. Davon versteht die Finsternis nichts: Das ist ihre größte Schwäche.«
    Maerad erschrak - das hörte sich ein wenig zu unangenehm nach ihren Gedanken der vergangenen Nacht an -, aber Nerili starrte aus dem Fenster, als wäre Maerad gar nicht anwesend.
    »Liebe ist niemals einfach«, meinte die Oberste Bardin. »Wir beginnen, indem wir die Dinge lieben, die wir aufgrund unserer Statur lieben können. Aber es dauert nicht lange, ehe wir es herausfinden müssen - was wir lieben, ist anders als wir selbst, und unsere Liebe ist kein Schutz dagegen, verletzt zu werden. Dann trachten wir danach, das zu beherrschen, was wir lieben, es unserem Willen zu unterwerfen, damit es uns nicht mehr verletzt, obwohl wir dadurch die Liebe selbst verraten. Und das ist erst der Anfang der Schwierigkeiten.«
    Etwas traurig lächelnd drehte sie sich Maerad zu, doch Maerad erwiderte nichts; sie war zu überrascht. Einen Lidschlag lang war sie überzeugt davon, dass Nerili von ihren eigenen Gefühlen für Cadvan sprach, zudem über Maerads verworrene Empfindungen Bescheid wusste und sie zaghaft zu trösten versuchte. Zu Maerads Erleichterung ließ sie es dabei bewenden und ging stattdessen zur praktischen Seite der Hohen Magie über.
    Dabei lernte Maerad allmählich, wie sie ihre Bardenkräfte richtig einsetzen, die Hohe Sprache beherrschen und formen, Zauber und Bannsprüche bilden konnte. Nerili begann mit einem Trugbann, aus dem einfachsten Bereich der Bardenmagie, wie sie erklärte: Es handelte sich um einen Zauber der Täuschung, der keinen festen Gehalt aufwies. »Einen Trugbann kannst du bereits, indem du einfach deinen Willen dafür einsetzt«, sagte Nerili. »Weißt du das?« »Ja«, gab Maerad zurück. Sie empfand es als einfach, sich unsichtbar zu machen oder ihr Erscheinungsbild zu verändern.
    »Trotzdem ist mehr daran als diese instinktive Macht. Ein Trugbann kann recht nützlich sein. Gegen Barden natürlich nicht; Bardenaugen durchschauen ihn immer. Aber wenn wir das hier tun« -Nerili vollführte eine sonderbare Geste mit den Händen -, »dann können wir Bardenaugen dazu bringen, sich mit uns zu verbünden, wenngleich es nicht gegen den Willen eines Barden geht. So können wir unsere Vorstellungskraft miteinander teilen.«
    Plötzlich tauchte mitten im Raum ein silbriger, junger Baum auf. Während Maerad wie gebannt hinsah, wuchs er binnen einer Minute auf Deckenhöhe an. Aste und breite silbrige Blätter sprossen daran. Als er vollständig gewachsen war, überzogen ihn schlagartig kleine goldene Knospen, die sich zu leuchtenden, anscheinend aus reinem Licht bestehenden Blumen entfalteten. Die Blütenblätter welkten, lösten sich auf und verbreiteten einen feinen Duft, und wo die Blumen sich befunden hatten, schwollen herrliche Früchte an: goldene Apfel, so schillernd, dass sie Schatten über die Wände warfen. Musik erfüllte den Raum, geschaffen von denselben übermenschlichen Stimmen, die Maerad während ihrer Einführung gehört hatte und die ihr wie die Klänge singender Sterne erschienen. Vor blankem Verzücken sog sie heftig die Luft ein.
    »Der Baum des Lichts, wie ich ihn jedes Jahr zu Mittsommer sehe«, verkündete Nerili und musterte Maerad mit schief gelegtem Kopf. »Er ist wunderschön, nicht wahr? Jeder Oberste Barde sieht ihn auf seine eigene Weise. So erscheint er mir. Falls du je das Ritual der Erneuerung vornimmst, wirst du einen anderen sehen. Aber er wird genauso schön

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