Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
niedergeschlagen, die Anführer wurden eingekerkert. Unter den in Ketten gelegten Verrätern seien Nelac von Lirigon, Tared von Desor und Caragal von Norloch.«
Ein hörbares Keuchen der Bestürzung wanderte um den Tisch, und Maerad begegnete Cadvans Blick. Er wirkte traurig, aber nicht entsetzt; Maerad vermutete, dass er es bereits gewusst hatte.
Nerili fuhr fort. »Norloch wurde der Militärherrschaft der Weißen Garde unterstellt, befehligt vom Obersten Barden, Enkir von Norloch, um des von den Aufwieglern verursachten Notstands Herr zu werden. Er hat das Dreifachzepter beschworen, das Wappenzeichen der verlorenen Könige Annars, und beansprucht die Befehlsgewalt des Oberkönigs über alle Sieben Königreiche.« Abermals sogen die Versammelten gleichzeitig vor Bestürzung jäh die Luft ein. Arnamil sprang mit geöffnetem Mund aus dem Stuhl auf, bereit, etwas zu sagen, doch Nerili hob die Hand, um anzuzeigen, dass sie noch nicht fertig war, also nahm er langsam wieder Platz.
»Darüber hinaus berichtete er mir von Neuigkeiten, dass sich das Königreich Den Raven im Süden regt. Er meinte, Norloch geht davon aus, dass Turbansk in den nächsten drei Monaten einen Angriff des Hexers Imank zu erwarten hat.« Maerad dachte an die schreckliche Armee, die sie in ihrem Zukunftstraum gesehen hatte. Sie biss sich auf die Lippe, blickte auf ihre Hände hinab und versuchte, eine Woge der Verzweiflung zurückzudrängen; selbst wenn Turbansk angegriffen wurde, hieß das nicht, dass Hem getötet werden würde. Nerili fuhr fort. »In diesem Klima der Gefahr teilte Igan mir mit, dass der Oberste Barde von Norloch und König von Annar, Enkir von Norloch, die Gefolgstreue aller Schulen und Königreiche fordert. Wir sollen dem Dreifachzepter bedingungslos unsere uneingeschränkte Treue geloben, oder wir werden als Aufrührer betrachtet. Und er gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass für Aufrührer und somit Feinde Norlochs die Gefahr besteht, sich den vollen Zorn von Norlochs Macht zuzuziehen.«
Die abschließende Äußerung verursachte beinahe einen Aufstand. Fast jeder im Raum sprang auf und begann zu brüllen. Abermals hob Nerili die Hand, um Stille einkehren zu lassen, und ihre Stimme hallte durch den Saal. »Meine Freunde«, sprach sie. »Meine lieben Mitbürger Thorolds. Ich weiß so gut wie ihr, dass selbst zu Zeiten der Könige von Annar weder wir noch ein anderes der Sieben Königreiche je der Befehlsgewalt von Annar unterstand. Und Ihr könnt mir glauben, dass ich Igan, den Gesandten des Enkir von Norloch, deutlich darauf hinwies. Daraufhin entgegnete er mir: >Nerili von Busk, die Dinge ändern sich. Wir leben in gefährlichen Zeiten, und wenn wir überleben wollen, müssen wir von unserer Tradition der Unabhängigkeit absehen. Die Thorolder müssen den neuen Gesetzen gehorchen, oder sie werden zu ihren Opfern.< So lautet der Erlass des Enkir von Norloch.« Nerili senkte das Haupt. »Es erfüllt mich mit Schmach, die Überbringerin dieser Neuigkeiten zu sein. Das wirft einen Schatten über alle Barden.«
Um den Tisch erhob sich zorniges Gemurmel, und Arnamil erhob sich mit blitzenden Augen. »Was habt Ihr auf diese Beleidigung erwidert, Herrin von Busk?«, verlangte er zu erfahren. »Habt Ihr ihn mit zwischen den feigen Beinen eingekniffenem Schwanz aus der Schule geworfen, wie er es verdiente?« »Das tat ich nicht.« Nerili blickte ihm unverwandt in die Augen. »Arnamil, das wäre gleichbedeutend mit dem Abbruch jeglicher Verbindung zu Norloch und könnte offenen Krieg nach sich ziehen. Etwas Derartiges ist nicht geschehen, seit die Könige in Annar herrschten, und ich bin nicht bereit, auf meine alleinige Verantwortung die Gefahr eines Krieges einzugehen.« Wieder ließ sie den Blick um den Tisch wandern, an dem die Anwesenden angespannt schweigend saßen. »Ich habe ihn höflich empfangen. Ich habe ihm höflich zugehört. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich durchaus um die gefährlichen Zeiten wisse, in denen wir leben, und dass wir uns vor dem hüten müssen, was uns bedroht. Zuletzt sagte ich, dass ich mit den Barden und der Kammer beratschlagen und anschließend Norloch unsere Antwort bekanntgeben würde.« Sie setzte ab. »Er gab uns eine Woche Frist. Und er meinte, sollten wir Norloch unsere Treue vorenthalten, würden wir schwerwiegende Folgen zu tragen haben.«
»Dann sage ich«, meldete Arnamil sich zu Wort und ließ die mächtige Faust auf den Tisch niedersausen, »dass wir in einer Woche diesen
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