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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Musikanten, allesamt Barden des Ersten Zirkels, und vor ihr ging Elenxi, vor dem der Spiegel von Maras schwebte, geführt durch seine Hände. Maerad spürte, dass dies kein bloßer Trugbann war, keine Täuschung des Auges, sondern echte Magie: ein Wandlungsbann, der den Spiegel von den Gesetzen der natürlichen Welt befreite.
    Der kleine Tross betrat feierlich das Podium, und die drei Musikanten stellten sich so auf, dass sie nach außen blickten, nach Norden, Süden und Osten. Elenxi platzierte den Spiegel in der Mitte des Podiums, wo er verharrte, als hätte er ihn auf einen unsichtbaren Sockel gestellt. Anschließend wandte Elenxi sich nach Westen. Dann verstummte die Musik.
    In der plötzlichen Stille umkreiste Nerili das Podium mit erhobenen Armen und der Menge zugedrehtem Gesicht.
    »Willkommen, willkommen, willkommen, dreifach willkommen«, sagte sie, und ihre Stimme erreichte mühelos selbstjene am hinteren Ende der Menge. »Wir haben uns hier zum Ritual der Erneuerung eingefunden.«
    Alle auf dem Platz hoben zur Erwiderung die Arme und sprachen wie mit einer Stimme: »Möge das Licht uns segnen!«
    »Möge das Licht uns alle segnen, mit reinen Worten, noch reineren Herzen und reinsten Taten.«
    »Möge das Licht uns segnen!«
    Mittlerweile stand Nerili neben dem Spiegel, immer noch mit erhobenen Armen. Sie begann mit einem silbrigen Licht zu schimmern, das anschwoll, bis sie fast so hell leuchtete wie der Mond. Dann packte sie mit erschreckender Plötzlichkeit den Spiegel und schleuderte ihn zu Boden. Obwohl man Maerad erzählt hatte, was während des Rituals geschehen würde, sog sie scharf die Luft ein; der Stein zerbarst mit einem Blitz zu einem Regenbogen aus Scherben. Es schien ein Akt schrecklicher Gewalt gegen einen so wunderschönen Gegenstand. »Das alte Jahr ist entschwunden und gehört nun ins Reich der Erinnerungen und Träume: von Bedauern, Verlust und Freude, von Geburt und Tod, von wahr gewordenen und enttäuschten Hoffnungen«, sprach Nerili.
    »Das alte Jahr ist entschwunden«, lautete die Erwiderung.
    »Und nun steht das neue Jahr bevor und gibt uns alles wieder, was uns gehört: unsere Träume und Erinnerungen, unser Bedauern, unsere Verluste und unsere Freude, Geburt und Tod und neue Hoffnung.«
    »Das neue Jahr steht bevor.«
    Nerili begann, Das Lied des Er Schaffens zu singen. Maerad hatte dieses bardischste aller Lieder schon immer als wunderschön empfunden, doch dies war das erste Mal, dass sie es in der Hohen Sprache hörte, ausgestattet mit seiner vollen Macht, und zum ersten Mal wurde ihr klar, was das Lied in Wirklichkeit war. Die Nackenhaare richteten sich ihr auf. Kein Instrument begleitete Nerilis Stimme; volltönend hallte ihr Kontraalt durch die völlige Stille auf dem Platz.
    Maerad drehte sich Cadvan zu, wollte ihre Verzückung mit ihm teilen - und stutzte. Cadvans Züge wirkten verkniffen vor Anspannung. Maerad schaute zurück zu Nerili. Auf Anhieb wirkte alles in Ordnung, doch nun beobachtete sie das Geschehen aufmerksamer. Obwohl Maerad dem Ritual noch nie zuvor beigewohnt hatte, vermeinte sie etwas zu spüren, das vielleicht nicht da sein sollte: eine Schwere, einen dornigen Schatten, der zuerst nicht wahrnehmbar gewesen war.
    Nerili sang das Lied des Erschaffens weiter, und mit jeder Strophe wurde sie heller, bis die Macht, die sie ausstrahlte, Maerads Kopf zum Summen brachte. Allmählich begannen die Scherben des zerbrochenen Spiegels vom Boden aufzusteigen und in der Luft zu schweben. Maerad sog den Atem ein. Langsam, ganz langsam näherte sich jedes Bruchstück des Spiegels der Mitte des Podiums, und als Nerili die letzte Strophe des Liedes anstimmte, fügten sich die zerbrochenen Teile zusammen, nahmen ihren ursprünglichen Platz ein. Allerdings war der Spiegel nicht wieder heil, sondern nur ein gesprungener Stein.
    Nerili legte die Hände über den Spiegel, und abermals verstärkte sich ihre Macht. Licht gleißte von ihren Händen, von ihrem Gesicht, ließ sie körperlos, nicht mehr menschlich wirken. Plötzlich, so schlagartig, dass Maerad nicht mitbekam, wann es geschah, war der Spiegel wieder ganz - nicht zusammengeflickt, sondern neu geschaffen, als wäre er nie zerborsten. Völlige Stille herrschte; es war, als hielten hunderte Menschen den Atem an. Nerilis Haltung erschlaffte, als wäre sie plötzlich zu Tode erschöpft, und ein Großteil des Lichts verließ sie. Aber nun gleißte der Kristall mit strahlendem Glanz, war das Hellste auf dem Platz, warf

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