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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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sonderbar schwarze Schatten über die Menge. Mit sichtbarer Anstrengung richtete Nerili sich auf, legte die Hände auf den Kristall und blickte hinein. Maerad konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber nach kurzer Zeit strafften sich ihre Schultern, und die Hände ballten sich, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Dann glitt sie ohnmächtig zu Boden, als hätte jemand alle Sehnen in ihrem Körper durchtrennt.
    Bevor Maerad wusste, was geschah, war Cadvan neben den Spiegel von Maras auf das Podium gesprungen und blickte selbst hinein. Niemand sonst hatte sich gerührt; alle wirkten wie erstarrt, wie besessen von plötzlicher Furcht. Maerad sah sich kurz um und erblickte hunderte Menschen, denen dieselbe Verwirrung ins Gesicht geschrieben stand. Sie schaute zurück zu Cadvan: Nun erstrahlte er vor Magie. Seine glühenden Hände hielten den gleißenden Spiegel. Voll Erstaunen spürte Maerad die Kraft seiner Macht; sie hatte Cadvan noch nie zuvor so erlebt, entfesselt, ungetrübt durch Verletzungen. Und allmählich begann sich ein Bild in der Luft vor ihm zu formen, die leuchtende Erscheinung des Baums des Lichts. Es war derselbe Baum, und doch sah er anders aus als jener, den ihr Nerili gezeigt hatte; das Licht, das von ihm ausging, war golden statt silbrig, die Blüten wirkten rötlicher, die Früchte goldener.
    Ein Seufzen erhob sich vom Platz, als hunderte Menschen den angehaltenen Atem ausstießen.
    »Seht das neue Jahr, erneuert und euch zurückgegeben!«, rief Cadvan. »Seht das neue Jahr.«
    Nach der Erwiderung war die Zeremonie vorüber, doch von der Menge löste sich noch vereinzelter Jubel. Cadvan ergriff den Spiegel von Maras und reichte ihn Elenxi, und die Musikanten begannen zu spielen. Feierlich verließen sie in umgekehrter Reihenfolge gegenüber ihrem Kommen das Podium und schritten durch die Menge. Nachdem sie die Mitte des Platzes verlassen hatten und die Musik in der Ferne zu verhallen begann, bückte Cadvan sich zu Nerili hinab, die sich wieder rührte. Maerad und mehrere andere Barden eilten los, um ihm zu helfen.
    Nerili öffnete die Augen und schaute zu Cadvan auf. Ihr Gesicht war kalkweiß, und eine Träne kullerte ihr über die Wange. »Ich konnte den Baum nicht erschaffen«, flüsterte sie. »Ich habe euch alle im Stich gelassen. Das Ritual ist fehlgeschlagen.«
    »Nein, der Baum wurde erschaffen«, widersprach Cadvan und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Das Jahr wurde erneuert. Das Ritual ist vollendet.« »Nein, nein, du verstehst nicht.« Nerili schien kurz davor, in Tränen auszubrechen, was einen schmerzlichen Anblick bei jemandem bot, der an sich über solche Selbstbeherrschung verfügte. »Ich sah … den Baum …« »Sag jetzt nichts«, forderte Cadvan sie in eindringlichem Flüsterton auf. »Später. Der Baum wurde erschaffen. Alles ist, wie es sein sollte.«
    Nerili ergriff heftig Cadvans Hand und musterte seine Züge mit verzweifelter Eindringlichkeit. »Er wurde erschaffen? Wie?« »Ich habe es getan«, gab er zurück.
    Sie ließ seine Hand los, senkte den Kopf und schwieg. Cadvan half ihr auf und führte sie über den Platz. Stumm teilte sich die Menge für sie. Die Barden des Ersten Zirkels und Maerad folgten ihnen wortlos ins Bardenhaus. Als sie gingen, hörte Maerad, wie die Menschen sich allmählich aus ihrem bestürzten Schweigen lösten und erst zu murmeln, dann zu reden begannen. Elenxi und die anderen drei Barden des Ersten Zirkels, die am Ritual der Erneuerung teilgenommen hatten, befanden sich bereits in Nerilis Wohnzimmer, als der Rest eintrat. Sie wirkten fast so kreidebleich wie Nerili selbst. Cadvan schenkte der Obersten Bardin ein Glas Laradhel ein. Mit zitternden Händen leerte sie es in einem Zug. Ihr Blick war immer noch gesenkt, als wäre sie außerstande, jemandem in die Augen zu blicken. Alle im Raum beobachteten sie voll stummer Sorge. Schließlich schüttelte sie sich, setzte sich auf und blickte Elenxi an. Ihre Augen waren düster vor Kummer und Schmach. Sie sah völlig erschöpft aus.
    »Ich bin unwürdig«, sagte sie. »Ich habe meinen Rang als Oberste Bardin nicht verdient. Ihr müsst jemand anderen wählen.«
    »Nein!«, riefen Elenxi und mehrere andere aus. »Nein«, fuhr er fort. »Ich war dabei. Ich habe es gespürt. Nicht du hast versagt.«
    »Wäre Cadvan von Lirigon nicht da gewesen, wäre der Baum des Lichts nicht erneuert worden«, gab sie mit tonloser Trostlosigkeit in der Stimme zurück. »Ich hatte nicht die Kraft dazu.«
    »Nicht, um den

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