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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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bremsen konnte; und danach war es zu spät, sie noch zurückzunehmen. Einen Lidschlag lang verzagte Maerad angesichts der blanken Wut, die in Cadvans Zügen aufflammte, ehe er seine Gefühle bändigte.
    »Es geziemt sich nicht, schlecht über die Toten zu reden«, mahnte er mit leiser Stimme. »Da ihr Tod auf deinem Gewissen lastet, kommt es dir erst recht nicht zu. Ilar war eine Bardin von hoher Ehre und großem Anstand. Auch wenn sie im Irrtum befangen war, verdient sie noch lange nicht deinen Hohn. Ich bezweifle nicht, dass du entsetzt bist, und ich weiß, dass du noch sehr jung bist; dennoch ist das keine Entschuldigung.«
    Maerad ärgerte seine Rüge; er behandelte sie wie ein Kind. Sie presste die Lippen aufeinander und wandte sich wortlos ab.
    Cadvan wartete auf eine Erwiderung von ihr, dann seufzte er und fuhr fort. »Dein Versagen ist auch mein Versagen, da ich dein Lehrmeister bin. Ich habe dich nicht so unterwiesen, wie ich es hätte tun sollen. Und ich habe in den vergangenen Tagen nicht die Kraft besessen, deine Bedürfnisse zu erfüllen. Das tut mir aufrichtig leid -es hat zu einer Katastrophe geführt. Ich hoffe, es beschwört kein weiteres Ungemach herauf.«
    »Meine Bedürfnisse erfüllen?« Maerad schaute zu ihm auf. »Was meinst du damit? Woher willst du wissen, was ich brauche?«
    »Ich weiß, dass du innerlich aufgewühlt bist, Maerad. Und anscheinend bin ich derzeit außerstande, dir zu helfen. Zudem habe ich es versäumt, dir beizubringen, deine Macht so anzuwenden, wie es eine Bardin sollte. Das meine ich damit. Ilars Tod lastet auf mir ebenso schwer, wie er auf dir lasten sollte.« »Es tut mir ja leid«, erwiderte Maerad scharf. »Das kannst du mir ruhig glauben. Aber ich war es, der sie getötet hat, oder? Du brauchst dich nicht edelmütig zu geben und auch noch dir die Schuld aufzubürden. Ich war es. Ich habe eine Bardin getötet. Sie wollte uns der Finsternis ausliefern, aber wie dem auch sein mag, ich hätte sie nicht töten sollen. Auch den Unhold hätte ich nicht vernichten sollen.«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Cadvan schaute zum Himmel, als wollte er Geduld herbeirufen. »Dir hätte nicht einmal der Gedanke kommen dürfen, Ilar zu töten. Barden des Lichts töten einander nicht. Die beiden waren weder Untote noch verderbte Barden. Sie hätten uns nicht leichtfertig dem Tode überantwortet, selbst wenn wir sie angegriffen hätten. Einen anderen Menschen zu töten stellt für Barden den allerletzten Ausweg dar. Wärst du in rechter Weise unterrichtet worden, hättest du das gewusst. Deine Macht ist furchteinflößend, Maerad. Wird sie missbraucht, macht sie aus dir ein Ungeheuer.«
    Plötzlich hatte Maerad das vor Furcht und Gram zu einer Grimasse verzogene Antlitz Namaridhs vor Augen, als er sie ein Ungeheuer nannte. War sie das tatsächlich? War es das, was Gahal gesehen hatte, als er sie in Ossin zu warnen versucht hatte? Dass sie ein Ungeheuer war? Unvermittelt war ihr nach Weinen zumute. Tief in ihrem Innersten verstand sie das Ausmaß dessen, was sie getan hatte, doch sie fühlte sich außerstande, sich dem zu stellen, und es ließ sich nicht ungeschehen machen.
    Beinah hätte sie ihren Widerstand überwunden und sich Cadvan anvertraut, doch irgendetwas hielt sie zurück; Stolz vielleicht oder ein Schatten der Angst vor Cadvan, die sie seit dem Beginn der Reise aus Thorold verspürte. Oh, sie lag falsch - sie wusste, dass sie falsch lag. Aber nicht ganz. Cadvan gebarte sich nach wie vor ungerecht. Mit eisernem Willen drängte sie ihre Tränen zurück. »Ich bin kein Ungeheuer. Ich habe einen Fehler gemacht. Du doch auch, oder? Trotzdem bezeichnet dich niemand als Ungeheuer.«
    »Manche schon, ob du ‘s glaubst oder nicht«, entgegnete Cadvan nüchtern. »Aber das ist nicht der springende Punkt. Maerad, ich weiß, wie es ist, Macht zu missbrauchen. Das ist etwas Entsetzliches. Von all den schrecklichen Dingen, die mir je widerfahren sind, waren meine eigenen Untaten die schlimmsten. Sie haben tiefere Narben in meinem Leben hinterlassen als alles andere.« Ob des Nachdrucks in seiner Stimme regte sich Maerad, aber sie erwiderte nichts. Wenn sie jetzt brach, würde sie in Scherben zerbersten. Das wollte sie nicht. Sie wollte hart und streng sein, auch zu sich selbst, und etwas in ihr frohlockte über ihren Widerstand.
    »Maerad«, setzte Cadvan zu einem neuen Versuch an, »hör mir zu. Wenn du nicht lernst, die Kräfte zu beherrschen, die du besitzt, fürchte ich um dich.

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