Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Gänze bekannt werden. Vielleicht vergibst du mir dann, obwohl nichts den unbedachten Mord an einer Bardin zu rechtfertigen vermag.«
Der andere Barde erwiderte nichts. Er stand nur schwer atmend da und funkelte sie beide finster an.
Cadvan seufzte. »Es tut mir leid, Namaridh. Ich muss dich mit einem Bann belegen. Eines Tages wirst du vielleicht begreifen, dass es zu unser aller Bestem ist.«
Er streckte die Hand aus und murmelte einige Worte in der Hohen Sprache. Namaridhs Augen schlossen sich kurz, dann öffneten sie sich wieder und starrten blicklos geradeaus. Stumm setzte er sich an den Straßenrand, als wäre alles in Ordnung. Cadvan wandte sich Maerad zu und trieb Darsor an. »Los!«, rief er.
Sie verließen den Schauplatz in vollem Galopp und verlangsamten erst einige Meilen später zu einem Trab, nachdem sie den Birkenwald hinter sich gelassen hatten. Eine lange Weile sprach Cadvan kein Wort mit Maerad. Sie warf immer wieder verstohlene Blicke in seine Richtung, doch sein Antlitz blieb starr und verschlossen.
Maerad fühlte sich nach wie vor wie benommen. Die Beleidigungen der Bardin, gefolgt von ihrem Streich - der, wie Cadvan gesagt hatte, nicht zu töten, sondern lediglich zu betäuben beabsichtigte -, hatten eine unvorstellbare, unbändige Wut in ihr entfesselt. Maerad war entsetzt darüber, was sie getan hatte, aber Cadvans Zorn empfand sie als fast genauso Furcht erregend. Seine vor Verachtung frostigen Worte hallten in ihrem Kopf wider: Nichts vermag den unbedachten Mord an einer Bardin zu rechtfertigen.
Also war sie nun eine Mörderin, obwohl sie nur danach getrachtet hatte, sie beide zu beschützen. Cadvan selbst hatte schon Barden getötet, dennoch hatte er sich selbst einfacher verziehen, als er bereit schien, es bei ihr zu tun. Andere Gedanken regten sich in ihr. Die Kräfte, gegen die sie antraten, waren gnadenlos. Folglich mussten sie selbst ohne jede Rücksicht vorgehen, wenn sie etwas erreichen wollten. Dann fiel ihr ein, was Nerili vor einer schieren Ewigkeit über die Ethik des Gleichgewichts gesagt hatte. Auch ihre eigenen Zweifel darüber gingen ihr durch den Kopf. Wir bedenken selbst in äußerster Not, dass wir wie sie würden, wenn wir das Gleichgewicht nicht achteten. Und das wäre die schlimmere Niederlage. Nun, vielleicht konnten Barden sich solche Feinheiten nicht leisten, wenn sie gegen die Finsternis überleben wollten.
Maerad bedauerte zwar inständig, Ilar getötet zu haben, nichts-destotrotz fand sie, dass sie Cadvans Zorn nicht verdiente. In ihre Reue mischte sich angesichts seines Mangels an Verständnis störrischer Trotz: Sie verdiente Cadvans uneingeschränkten Tadel nicht. Schließlich war es nicht ihre Absicht gewesen, jemanden zu töten; es war einfach aus ihr herausgeplatzt, genau wie damals, als sie den Unhold vernichtet hatte. Bei jener Gelegenheit hatte er sie nicht so vorschnell verurteilt. Allerdings verdrängte sie dabei das Wissen, dass sie die Bardin im Augenblick des Angriffs tatsächlich hatte vernichten wollen. Sie biss sich auf die Lippe, stählte sich und richtete die Gedanken darauf, mit Darsor Schritt zu halten, was keineswegs einfach war. Cadvan trieb das große Pferd fast an die Grenzen seiner Möglichkeiten.
Erst, als sie in jener Nacht das Lager aufschlugen, ergriff Cadvan wider das Wort. Gegessen hatten sie noch schweigend, und Maerad wollte sich bereits in ihren Mantel wickeln und sich schlafen legen. Mittlerweile spürte sie gar nichts mehr - weder Kummer noch Bedauern oder Wut. Sie war schlichtweg zu erschöpft.
»Maerad, wir müssen uns unterhalten«, setzte Cadvan an. Dabei musterte er sie über das Feuer hinweg, dessen Flammen dunkle Schatten über seine Augen warfen. »Heute hast du übel gehandelt, und ich hoffe, du spürst die Last deiner Untat. Du hast ohne Not eine Bardin getötet. Unser Leben wurde nicht bedroht, und es hätte keiner derartigen Gewalt bedurft.«
Maerad zuckte zusammen und schaute weg. Seine Worte schmerzten, als schabten sie über eine wunde Stelle. Sie versuchte den Spieß umzudrehen. »Was hast du mit dem anderen Barden gemacht?«, verlangte sie zu erfahren. »Ich habe seinen Geist geleert. Bis morgen Früh wird er völlig ruhig sein, danach wird er Ilars Leichnam zurück nach Lirigon bringen, damit sich diejenigen um ihn kümmern können, die sie geliebt haben.«
»Da wird es wohl nicht viele geben, so wie sie geredet hat.« Die Worte quollen unversöhnlich und garstig aus Maerad hervor, bevor sie sich
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