Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
spärlich bewohnt, und die Nordstraße führte durch eine der einsamsten Gegenden von Edil-Amarandh.
Nach dem schier endlosen Flachland der vergangenen Wochen mit seinen üblen Dünsten fühlte es sich wie Balsam an, purpurne, mit schwarzen Kiefernhainen bewaldete Hügel zu sehen oder Hänge voller Sträucher, an denen gerade die Hagebutten reiften, oder Schlehen und Holunder, die ihren zarten Duft verströmten, oder durch Gehölze aus Birken, Lärchen und Hainbuchen zu reiten, deren Grün in das Kupfer und Gold des Herbstes überging. Die Sturmböen legten sich, wichen Tagen beherrscht von dunklen, aber regenlosen Wolken, und das Wetter wurde stetig kälter. Nachts schlief Maerad trotz ihrer körperlichen Erschöpfung unruhig und konnte dem Frost nicht entrinnen, der an ihren Füßen und Händen nagte.
Am Mittag des dritten Tages nach der Überquerung des Usk gelangten sie zu einer Weggabelung, von wo aus die Straße westwärts nach Culain und ostwärts nach Lirhan führte. Sie hatten nicht vor, nach Lirigon zu Cadvans Schule zu reisen, sondern den Weg fortzusetzen, bis sie auf den Lir trafen. Dort gab es eine Furt über den Fluss, über die sie nach Lirhan gelangen würden. Ungeachtet der wachsenden Gefahr, unterwegs jemandem zu begegnen, legten sie ihre Tarnung als Boten nicht mehr an: Es war schlichtweg zu ermüdend, und nach den letzten drei Wochen fühlten sie sich beide ausgezehrt. Außerdem hatten sie seit Tagen keine Reisenden gesehen.
Am nächsten Tag, kurz, nachdem sie für ihre Mittagsmahlzeit angehalten hatten, führte die Straße in einen der zahlreichen Birkenwälder, die diesen Teil Annars sprenkelten. Die Birken waren uralt; ihre Äste griffen über der Mitte des Pfades ineinander. Der Boden war übersät vom ersten kupferfarbenen Laub des Herbstes, das den Hufschlag dämpfte. Die Sonne schien. Goldene Strahlen durchdrangen das Geflecht der Zweige über ihnen und umspielten ihre Schultern mit flüchtiger Wärme. Trotz ihrer Schwermut besserte sich Maerads Laune, und sie schnupperte genüsslich den Duft des Lehmbodens und der Bäume. Vorübergehend abgelenkt entspannte sie sich und ergab sich ihrer tief sitzenden Erschöpfung. Cadvan wirkte ähnlich eingelullt. Deshalb sahen sie die Barden erst, als es zu spät war. Es waren zwei, ein Mann und eine Frau, die gemächlich in Richtung Culain ritten. Cadvan erspähte sie als Erster und wandte sich Maerad zu.
»Barden!«, zischte er.
Maerad wurde ruckartig aus ihrer Träumerei gerissen und schaute mit sinkendem Herzen die Straße entlang.
»Wir müssen uns höflich zeigen, sonst schöpfen sie Verdacht«, mahnte Cadvan. »Beim Licht, ich hoffe, keiner der beiden erkennt mich. Bedeck dein Gesicht und schütz dich.«
Maerad tat, wie ihr geheißen, und verbarg im Geiste jenen Schimmer, anhand dessen Barden einander erkannten, zudem zog sie sich die Kapuze tief ins Gesicht. Sie verlangsamten die Schritte zu einem flotten Gang, als sie sich den anderen Reitern näherten. Maerad lockerte das Schwert in der Scheide. Cadvan hob mit der Handfläche nach außen den rechten Arm zur traditionellen Geste des Grußes und hoffte, dies würde genügen, um die beiden Barden ohne Wortwechsel zu passieren. Maerad tat es ihm gleich und betrachtete die Fremden aus dem Augenwinkel. Sogleich sank ihr Mut, zumal sie sah, dass der Mann eine Brosche trug, die ihn als einen Barden aus Lirigon kennzeichnete, während die andere Bardin aus einer Schule stammte, die Maerad nicht kannte. »Seid gegrüßt, Reisende«, sprach der Mann, dann zügelte er überrascht das Pferd. »Cadvan!«, rief er aus.
»Nein«, widersprach Cadvan, beschleunigte, um rasch an den beiden vorbeizugelangen, und vollführte mit der anderen Hand eine eigenartige Geste. »Du irrst dich.«
»Das ist Cadvan von Lirigon«, beharrte die Frau, die Cadvans Bann abwehrte. »Versuch nicht, mich mit deinen Schlichen zu täuschen, Cadvan, zuletzt von Lirigon; ich kenne dich, seit du ein Jüngelchen warst.« Sie wandte sich ihrem Gefährten zu. »Das sind ohne jeden Zweifel die Geächteten, Namaridh. Es hieß, dass Cadvan mit einer jungen Frau reist.«
Der andere Barde zog das Schwert und schleuderte gleichzeitig einen Erstarrungsbann. Maerad und Cadvan lenkten ihn beiseite, aber Darsor und Imi verharrten so jäh, als hätten sie sich in Holz verwandelt. Maerad versuchte, den Bann zu lösen, doch er hielt. Kurzes, betretenes Schweigen folgte.
»Das widerstrebt mir, Cadvan«, sagte Namaridh schließlich und sah ihn
Weitere Kostenlose Bücher