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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Nein, nicht nur um dich, um uns alle.«
    Fürchte dich ruhig, raunte eine innere Stimme in ihr. Mit stetem Blick sah sie über das Feuer hinweg in Cadvans Augen. »Es gibt nichts zu fürchten. Es tut mir leid, dass ich die Bardin getötet habe. Ich werde so etwas nie wieder tun.«
    Cadvan begegnete ihrem Blick; sie spürte, wie sie zauderte, und ließ die Augen sinken. Maerad wusste, dass es nicht so einfach war, doch sie verdrängte den Gedanken. Sie war kein kleines Mädchen mehr, das sich mir nichts, dir nichts demütigen ließ. Ebenso wenig war sie ein unartiges Kind, das es zu schelten galt, weil es mit dem Feuer gespielt hatte. Sie war Maerad, Elednor, die Feuerlilie von Edil-Amarandh. Ohne ein weiteres Wort zog sie den Mantel enger um sich, rollte sich ein und kehrte Cadvan den Rücken zu.
    Nach einer Weile hörte sie, wie Cadvan mit leiser Stimme zu singen begann, einen Sprechgesang, den sie als Klagelied für die tote Bardin erkannte. Die Worte erklangen so leise, dass Maerad sie nicht verstand, doch die Melodie prasselte sengend wie feuriger Regen auf ihr Herz ein. Sie drehte sich zum Boden hin, hielt sich die Ohren zu, und ihre Augen brannten vor unvergossenen Tränen.
    Cadvan seufzte und stocherte mit einem Stock im Feuer. Kurz züngelten die Flammen auf, bildeten ein zerbrechliches Licht in der leeren Dunkelheit der Welt.
    Am folgenden Tag verließen sie die Bardenstraße, überquerten an einer Furt den Lir und gelangten auf die Rilnik-Ebene im westlichen Lirhan, dem nördlichsten der Sieben Königreiche. Maerad war froh, Annar hinter sich gelassen zu haben; sie hatte sich verflucht gefühlt, sobald sie jenes Land betreten hatten. Sie folgten einem ausgetretenen Trampelpfad, gerade breit genug für einen Karren, in nordöstlicher Richtung. Der Weg schlängelte sich über die Ebenen und wurde gelegentlich von anderen Pfaden gekreuzt.
    Das Licht besaß eine diamantene Klarheit: Jede Einzelheit erschien so fest und leuchtend, als wäre die Landschaft eine wunderbare Bildhauerarbeit aus Edelsteinen, durchzogen von silbrigen Flüssen. Sie gelangten auf weite, verwaiste Ebenen voll Gras und Segge, die sich gelblich und verdorrt unter einem Gewirr aus Schwarzdorn und Stechginster abzeichnete. Vereinzelt erblickten sie Äschen- und Lärchenhaine, und die zahlreichen Bäche, die zum Lir hinflössen, waren von Espen und Weiden gesäumt. Vor ihnen am Horizont ragte der Osidh Elanor auf, das Gebirge der Morgendämmerung, matt und fern, aber in jeder Einzelheit erkennbar, als hätte es ein meisterlicher Künstler gezeichnet. Die Landschaft war wunderschön, doch ihre Einsamkeit betonte die Kluft, die sich zwischen Cadvan und Maerad aufgetan hatte. Mittlerweile herrschte fast völliges Schweigen zwischen ihnen; sie sprachen nur noch dann miteinander, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden ließ, und selbst dann nur kurz. Die Stimmung schien sich auf die Pferde zu übertragen, die sich ungewöhnlich zänkisch gebarten; einmal zwickte Imi Darsor in die Flanke, wofür sie im Gegenzug einen Huftritt in den Bauch erhielt - so heftig, dass Imi kurz die Luft wegblieb. Auch um die Pferde kümmerten die Barden sich getrennt. Sie tadelten und trösteten sie, ohne dabei miteinander ein Wort zu wechseln. Insgeheim sorgte Maerad sich um Imi, deren Fell allmählich struppig und stumpf auszusehen begann. Die Stute war zäh und stur wie ein Maultier, doch nach und nach hinterließ die lange Reise unweigerlich ihre Spuren.
    Maerad wusste, dass es im westlichen Lirhan so gut wie keine Dörfer und Städte gab, zumal diese sich näher um Lirigon scharten. In den Sommermonaten zogen die Pilanel über die Ebene, ein Wandervolk von Pferdezüchtern und Händlern, das seine Herden auf den süßen Wiesen des Flachlands grasen ließ und mit den Jahreszeiten den Standort wechselte. In der Ferne erspähte Maerad ein Grüppchen bemalter Wohnwagen, die einen Kreis um ein großes Feuer bildeten, von dem Rauch aufstieg. Außerdem sah sie auf fernen Hügeln Pferde grasen, doch Cadvan und sie hielten sich von allem fern und begegneten auf dem Pfad niemandem. Dies fühlte sich wie eine grausame Gnade an, da Cadvan und Maerad dadurch sich selbst überlassen blieben, und das war ein freudloser Trost für sie; allerdings graute insbesondere Maerad seit der letzten Begegnung vor dem Gedanken, auf andere Reisende zu stoßen.
    Da sie beide überzeugt davon waren, dass die Verfolger ihnen bald auf der Spur sein würden, ritten sie so schnell wie zuvor

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