Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
gelähmt da; sein ganzer Körper zitterte, in seinem Mund knirschten Erde und Laub. Blut troff ihm langsam über das Gesicht, wo Irc ihn gepickt hatte. Er hörte das eherne Schaben von Schwertern, die zurück in Scheiden geschoben wurden, das Klirren von Waffen, die vom Boden eingesammelt wurden, ein Grunzen, als jemand etwas Schweres hob, dann das gleichmäßige Stapfen von Schritten, die in der Abenddämmerung verschwanden.
Hem konnte die Augen nicht öffnen, er konnte nicht einmal weinen.
Zelika war weg.
Teil vier
Den Raven
Der Strom ist dunkel, breit und tief,
Das Ufer ist ach so weit
Und ich muss schwimmen gegen die Flut
Jeden Tag und alle Zeit
Warm sind die Lichter, die mich locken,
Das Ufer ist ach so weit
Und ich weiß, wo ich lieber wäre
Jeden Tag und alle Zeit
Die Ketten sind schwer an meinen Füßen
Das Ufer ist ach so weit
Sie geben mir Staub und Asche zu essen
Jeden Tag und alle Zeit
Eines Tages werde ich meine Toten dort sehen
Das Ufer ist ach so weit
Dann werde ich ruhen von Müh und Plag
Jeden Tag und alle Zeit
Sklavenlied aus Den Raven , Bibliothek von Turbansk
Tarnung
Ein roter Halbmond, der durch giftige Dämpfe aufsteigt. Verschwommene Sterne, die an einem gesprenkelten Himmel bluten. Die Erde ein purpurner Fleck. Er liegt auf dem Boden, und die Krankheit der Erde dringt in seinen Leib, lässt ihn im Schlaf würgen. Er spürt ihre Wunden, als wären sie in seinen eigenen Körper geschlagen. Die Erde ruft ihn, ein langsames Pulsieren des Schmerzes - verheert, verstümmelt, vergiftet, aufgerissen, entstellt.
Er spürt, wie tief unter ihm ein träges Feuer, ein Mahlen gleißenden, flüssigen Gesteins in sein Wesen empordringt. Er ist besessen von einer Stimme ohne Mund, einer Sprache ohne Worte, einer tosenden Musik, die ihn verrenkt, seine Knochen verzerrt, seine Lippen austrocknet, seine Augen verdampft, sein Fleisch zu Ascheschwaden verpuffen lässt.
Hier gibt es keine Heilung.
Er öffnet die Augen, beobachtet, wie die Sterne am langsam heller werdenden Himmel verblassen. Er besteht aus über das brüchige Antlitz der Erde verstreuten Gebeinen, einer Staubspur ohne Zweck. Der Wind erhebt sich tosend zu einem Sturm, wallende Wolken verschlucken den Horizont, Blitze behindern seine Sicht. Die Erde bäumt sich auf, klettert dem Himmel entgegen: Doch nein, es ist eine Welle, an diesem Ort, viele Wegstunden vom Meer entfernt, eine einzige, von weißem Schaum gekrönte Woge. Sie verbreitet völlige Stille. Mehr als alles andere ist sie still, und ihre Stille entsetzt ihn. Er beobachtet, wie die unmögliche Woge unaufhaltsam auf ihn zubrandet und die Erde auf ihrem Pfad verschlingt. Sie wird alles verschlingen, sogar die Wolken. Gnade ist eine menschliche Tugend; die Woge kennt sie nicht. Bald wird überall Stille herrschen.
Hem erwachte, blieb zitternd liegen und zog seinen Mantel um sich. Hier gibt es keine Heilung. Die Traumstimme hallte durch seinen Kopf, während das Grauen des Traumes sich auflöste. Der Junge biss sich auf die Lippe und wünschte, er könnte Irc rufen. Er kämpfte mit sich und verfluchte seine Schwäche, doch er konnte nicht aufstehen. Schließlich entsandte er vorsichtig seine Sinne und tastete nach Ircs Gegenwart. Schwach und zu weit entfernt, aber noch merklich entdeckte er es. Widersinnigerweise fühlte er sich durch diese kurze Berührung nur noch einsamer.
Völlige Dunkelheit herrschte. Er lag auf dem blanken Boden eines kleinen Raumes, den der beißende Gestank von Harn und altem Essen erfüllte, doch der Geruch barg keine Wärme; die Luft war klirrend kalt. Seine Haut juckte, weil sich kleines Ungeziefer an ihm zu schaffen machte.
Was habe ich getan, dachte er bei sich. Außer dem Tod gibt es keinen Weg aus diesem Albtraum. Und ich will nicht sterben.
Hier gibt es keine Heilung. Die Stimme verhöhnte ihn.
Mit einem Ruck spürte er, wie sich der winzige Wachzauber vor dem Eingang regte, vermutlich aufgeschreckt durch die flüchtige Berührung seines Geistes. Hem drängte seine Gedanken in die geheimsten Tiefen seiner selbst zurück und hielt den Atem an; das Ding schnüffelte kurz umher, dann zog es sich wieder zurück, ohne eine Warnung zu senden. Hem blies einen langsamen Atemstoß der Erleichterung aus. Schlafen, dachte er. Ich muss schlafen. Sein ganzer Leib schmerzte vor Müdigkeit, dennoch wollte der Schlaf sich nicht einstellen. Hem lag auf dem Rücken und starrte mit offenen Augen in die Finsternis.
Nachdem Zelika
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