Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
und das, obwohl Irc ihn so überraschend angegriffen und zurückgehalten hatte, obwohl es unmöglich schien, dass er überhaupt irgendetwas hätte tun können. Mittlerweile vermeinte er, allmählich ein wenig von Zelikas Wahnsinn zu verstehen: Sie hatte mit ansehen müssen, wie ihre Familie gefangen und getötet wurde, und war außer Stande, die Scham zu überwinden, die sie empfand, weil sie überlebt hatte.
Hem wusste, dass Hared fuchsteufelswild sein würde; er würde Hems Vorgehen für >heldenhaft< halten. Ich bin kein Held, dachte Hem, aber ich kann meine Freundin nicht zurücklassen, ohne zu wissen, ob sie tot ist oder noch am Leben, ohne wenigstens versucht zu haben, sie zu retten. Vor dem Gedanken daran, was Saliman sagenwürde, scheute er zurück.
Er begann, sich vorzubereiten. Falls die Untoten von ihm erfahren hatten, würden sie nach ihm jagen; bevor er etwas anderes unternahm, musste er den Standort wechseln. Abgesehen von allem anderen lagen in der Nähe drei Mitleid erregende Leichname, die er nicht zu begraben wagte, weil ihn dabei jemand bemerken könnte. Er versuchte, sie nicht anzusehen, als er das Dickicht verließ. Sorgsam packte er sein Bündel zusammen und nahm Zelikas Proviant mit, ließ ihre übrigen Habseligkeiten jedoch zurück. Der Glimmerschleier würde in ein paar Stunden verschleißen, folglich konnte er sich die Mühe sparen, ihn aufzuheben. Danach weckte er Irc und begab sich auf die Suche nach einem neuen Versteck, das sich so weit wie möglich vom alten entfernt befinden, aber dieselben Vorteile als Ausguck aufs Lager bieten sollte. Anschließend trug er Irc auf, sich mit Hared zu treffen, und trichterte ihm seine Botschaft ein: eine schlichte Erklärung dessen, was geschehen war und was er von den Ausbildungsverfahren der Kindsoldaten beobachtet hatte. Was er zu tun gedachte, erwähnte er nicht, nur, dass er noch bleiben wollte, um weitere Entwicklungen abzuwarten, und dass er weitere Neuigkeiten schicken würde. Hem holte einen winzigen Stoffbeutel aus seinem Bündel hervor. In diesen steckte er drei Zweige, die für die drei Reihen der Kinder standen, die sich schätzungsweise im Lager befanden; einen Kiesel, der den Barden versinnbildlichte; und sechzehn Samenkapseln, was der Anzahl der Hundsoldaten entsprach, die er gezählt hatte. Den Beutel befestigte er an Ircs Bein.
Falls er will, dass ich zurückkomme, sagte Hem, dann richte ihm aus, dass ich nicht kann. Er wird wütend sein, gab Irc zurück. Er kann mich nicht zwingen. Darauf erwiderte Irc nichts. Auch stellte er keine weiteren Fragen, was ungewöhnlich für ihn war; vermutlich erahnte er Hems Vorhaben halb. Zum Abschied zwackte er Hem liebevoll in die Nase, dann flog er davon. Es waren nur ein paar Stunden Flug im Gegensatz zu den anderthalb Tagen, die Hem benötigt hätte, um so weit zu marschieren. Hem setzte darauf, dass Hared nicht kommen würde, um ihn zu holen. Er bezweifelte, dass der Barde das eigene Leben aufs Spiel setzen würde.
Als Hem sein neues Versteck zu seiner Zufriedenheit eingerichtet hatte, erhellte die Sonne die frühmorgendlichen Wolken. Mittlerweile war er so erschöpft, dass seine Lider sich fortwährend aus eigenen Stücken schlossen. Er legte sich hin, machte es sich auf dem dornigen Boden so gemütlich, wie es ging, und versank in tiefen Schlaf. Am nächsten Tag kehrte Irc zurück. Hared hatte ihm eine knappe Botschaft mitgegeben: Sei kein Narr. Zudem hatte er befohlen, dass Hem in drei Tagen zum Treffpunkt kommen sollte. Insgesamt erwies sich Hareds Antwort als nicht so heftig, wie Hem erwartet hatte.
Er wartete drei Tage lang, ruhte sich aus, so viel er konnte, und versuchte, die Übelkeit in den Griff zu bekommen, die ihn an diesem Ort ständig befiel. Er übte, sie in sich zu verschließen, und zwang seinen Körper, ihr keine Beachtung zu schenken. Wenn ihm ständig übel war, konnte er nichts richtig machen. Nach einem Tag entdeckte er eine Möglichkeit, die Übelkeit zu unterdrücken; sie war zwar noch da, aber er konnte damit leben.
Jene dreitägige Wartezeit zählte zu den härtesten Proben, denen er sich je unterziehen musste. Jeden Augenblick suchte ihn die Angst davor heim, was mit Zelika gerade geschehen mochte; entsetzliche Bilder stiegen ungebeten vor seinem geistigen Auge auf. Aber er wusste, dass er zwischen Zelikas Auftauchen und seinem eigenen Zeit verstreichen lassen musste, wenn sein Plan auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg haben sollte.
Immer und immer wieder
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