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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Frage beantwortet worden war, wenngleich ihm die Antwort keinen Trost spendete. Oslar, so fand er, war ein überaus großer Mann. Dann verspürte er Überraschung über sich selbst: Für gewöhnlich dachte er solche Dinge nicht.
    Während Hem durch die Schule von Turbansk lief, um Tränke von den Kräuterkundlern oder neue Verbände von den Webern zu holen, einer nach der Niederkunft zum Laufen zu schwachen Frau einen Becher Wasser brachte oder einen gebrochenen Arm festhielt, damit er verbunden werden konnte, schwelte seine Wut und loderte höher. Er hasste mit jeder Faser seines Wesens, was diesen Menschen so mutwillig angetan worden war. Wut war Hem keineswegs fremd, doch zum ersten Mal begleitete das Gefühl inbrünstige Leidenschaft, und er entdeckte eine Geduld in sich, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß.
    Vielleicht lag es am Beispiel Oslars und der anderen Heiler wie seiner Lehrmeisterin Urbika, die zusammen mit den meisten anderen Barden geblieben und selbst eine begabte Heilerin war. Auch wenn Hem ein Fehler unterlief, was selten vorkam, sprach nie jemand ein scharfes Wort zu ihm, ganz gleich, wie wenig die Barden geschlafen hatten oder wie überarbeitet sie waren. Und so lernte Hem in jenen wenigen Tagen, wie man den Kranken zuhörte, ihre Bedürfnisse voraussah, wie man in weichen Schuhen schnell und trotzdem leise lief, um keine Geräusche zu verursachen, die Schlafende wecken konnten. Angesichts des Ausmaßes des Leids, das sich ihm offenbarte, schienen seine früheren Beschwerden kleinlich und bedeutungslos. Er war ohnehin zu beschäftigt, um an sich selbst zu denken; seine Tage waren von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit unzähligen Aufgaben und Besorgungsgängen ausgefüllt, daneben begann Oslar höchstpersönlich, ihm einige Heilzauber für weniger schwere Fälle beizubringen. Bei Einbruch der Nacht war er so müde, dass er zum ersten Mal, seit er in Turbansk weilte, nicht von Albträumen heimgesucht wurde.
    Als Saliman ihm eines Abends mitteilte, dass die Barden seine Arbeit schätzten und Oslar gesagt hatte, nur wenige Jungbarden, die er gekannt hatte, hätten eine solch angeborene Begabung in der Kunst des Heilens Kranker besessen wie Hem, nahmder Junge das hart verdiente Lob mit neuer Demut hin.
    »Sei nicht beleidigt, wenn ich gestehe, dass ich überrascht bin. Ich dachte, du wärst zu ungeduldig für diese Arbeit«, verriet Saliman mit einem Lächeln, das Hem reichlich für jede Stunde entlohnte, die er im Heilhaus verbracht hatte. »Vielleicht wirst du ein Heiler, wenn du erwachsen bist. Jeder Barde muss selbst herausfinden, wie seineGabe sich am besten äußert; für manche ist das ein schwieriger Pfad. Aber ich denke, du könntest Glück haben. Heilen zählt zu den höchsten Berufungen; und Bedarf anHeilern besteht immer, selbst in Friedenszeiten.«
    Hem dachte schweigend über Salimans Worte nach. Er konnte sich durchaus vorstellen, Heiler zu werden. Womöglich würde er eines Tages sogar so gut wie Oslar. »Allerdings müsstest du noch an deiner Schreibkunst arbeiten«, unterbrach Saliman seine Grübelei. »Stell dir bloß vor, ein Kräuterkundler würde einen Liebestrank statt eines Abführmittels brauen, weil er deine Anweisungen nicht lesen konnte. Was du damit für Ärger heraufbeschwören würdest!«
    Hem grinste; Saliman bedrängte ihn ständig, an seiner Schrift zu arbeiten, die fast unlesbar war. Nun hatte er vielleicht einen Anreiz dafür.
    Sie nahmen eine rasche Mahlzeit zu sich, bevor Saliman wieder loszog, um die endlose Arbeit der Vorbereitung Turbansks auf einen Sturmangriff fortzusetzen. Das Essen war schlicht, aber lecker: Süßwasserfisch aus dem Lamarsan-Meer, überbackten mit Datteln, dazu Hülsenfruchtbrei. Vor Salimans Gemächern zwitscherten Vögel in den Bäumen, als sie sich auf ihre Nachtplätze niederließen, und eine kühle Brise strich Hem über die Wange. Alles mutete friedlich an. Plötzlich wünschte Hem voll heftigem Verlangen, dass er in gewöhnlichen Zeiten nach Turbansk hätte kommen können. Saliman hatte ihm soeben von den ersten Angriffen auf Turbansk berichtet, die durch Plündererschiffe erfolgten, die von der Mündung des Niken über das Lamarsan-Meer gesegelt waren, und Hem hatte in den Hallen Soldaten essen gesehen, die entweder unterwegs waren, um gegen die schwarze Flotte zu kämpfen, oder eben erst erschöpft und mit verkniffenen Zügen zurückgekehrt waren. Bisher hatten es keine Plündererschiffe nach Turbansk

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