Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
gibt. In Annar baut man Gänge; dort mag man diese Art von Logik. Dieser Palast ist in einer Reihe von Spiralen angelegt. Hier ist es schwieriger und umständlicher, irgendwohin zu gelangen.«
Hempflichtete ihm insgeheim bei; er hatte sich hoffnungslos verirrt. Doch Saliman fuhr fort, als grübelte er bei sich.
»Obwohl: Die Machtistin allen Sieben Königreichen komplex«, sagte er. »Es ist so, selbst in Annar. Norloch ist vergleichsweise einfach gestrickt, weil dort nur Barden herrschen … Anderswo gibt es zwei Gewalten, die Barden und die Regierungsräte. Und die Barden und die andere Gewalt sind sich nicht immer darüber einig, was das Beste ist.«
Saliman setzte ab und sah sich in der Säulenhalle um, die sie gerade durchschritten. »Aber oft denke ich, dass es in Turbansk am verworrensten ist«, sagte er. »Die Menschen von Turbansk werden mit Politik im Blut geboren. Cadvan würde hier keine zwei Tage überstehen; er würde aus der Haut fahren und sämtliche Stadträte beleidigen, danach wäre sein Leben ein einziges Elend.« Beim Gedanken an seinen alten Freund grinste Saliman. »Manchmal ist das gut so; es ist weit besser, wenn die Leute reden, als wenn sie kämpfen. Aber wenn etwas schnell geschehen muss -nun, das kann die Dinge schwieriger gestalten. Unser Freund Alimbar beispielsweise hat mir das Leben trotz unserer verzweifelten Lage schwerer gemacht, als es notwendig war, aus seinen eigenen Gründen. Mit unserer gegenwärtigen Ernani allerdings, Har-Ytan, haben wir großes Glück.« Saliman blieb vor hohen Türen stehen, die beeindruckender waren als alle, die Hem bisher gesehen hatte: Sie bestanden aus üppig poliertem Zedernholz mit großen, aus Gold geschmiedeten Bossen in Form der Sonne, mit ineinander verschlungenen Flammen unterschiedlicher Farben, von einem tiefen Rot zu einem fast weißen Gold. Saliman blickte auf Hem hinab.
»Hem, hier musst du dich von deiner besten Seite zeigen. Das gilt auch für Irc?, fügte er in der Hohen Sprache hinzu und sah den Vogel streng an, der ein leises Cark von sich gab und den Kopf in Hems Haar verbarg. »Verbeug dich einfach so wie ich und sag nichts.«
Schlagartig unruhig schluckte Hem und nickte; Saliman neigte den Kopf vor den beiden Palastwachen, die für sie die Türen öffneten und sie einließen.
An der Schwelle hielt Hem unwillkürlich inne und blinzelte geblendet. Saliman hingegen schritt weiter, deshalb sammelte Hem sich rasch und folgte ihm. Er ließ verstohlene Blicke durch den Raum wandern und bemühte sich bestmöglich, nicht so überwältigt auszusehen, wie er sich fühlte. Der Rest des Palastes war, wie er erkannte, lediglich ein Vorspiel für den Thronsaal.
Die Ernani saß auf einem breiten, niedrigen Podium am fernen Ende auf einem Thron aus schwarz lackiertem Holz, geschnitzt in zierlichen Mustern wundersamer Feinheit, sodass der Thron trotz seiner Größe - die Rückenlehne ragte hoch hinter der Ernani auf - den Eindruck vermittelte, kein Gewicht zu besitzen. Hinter dem Thron ragte eine riesige goldene Sonne, gleich jenen, die an den Türen prangten, bis zur Decke empor und tünchte den gesamten Saal in einen goldenen Schein. Die von langen, schmalen, vom Boden bis zur Decke verlaufenden Fenstern durchsetzten Wände waren mit schlichten Tafeln aus mattem Gold verkleidet, betont durch erlesene Wandgemälde; jedes besaß einen Rahmen aus demselben schwarz lackierten Filigran, aus dem der Thron bestand. Wie Saliman Hem später erzählte, stellten sie berühmte Geschichten aus Suderain dar: eines die Schlacht der Dagorlad-Ebenen, bei der den Streitkräften des Namenlosen in den Tagen der Großen Stille vom damaligen Ernani von Turbansk die Stirn geboten worden war; ein anderes die Begegnung von Alibredh und Nalimbar, sagenumwobenen Liebenden, in den Wassergärten von Jerr-Niken.
Hem und Saliman gingen auf einem Pfad aus schwarzen Onyxkacheln auf den Thron zu. Der Pfad teilte einen breiten, seichten Tümpel, der sich über die gesamte Breite des Thronsaals und über dessen halbe Länge erstreckte. Der mit blühenden Seerosen gefüllte Tümpel war in drei flachen Terrassen angelegt, und über die Ränder der höheren Ebenen plätscherte Wasser in die tieferen Becken, sodass eine stete gurgelnde Melodie durch den Saal hallte, während die Seerosen einen zarten Wohlgeruch verströmten.
Hem erschien es sehr lange zu dauern, den Teich entlangzugehen und die schlichte Fläche aus poliertem schwarzem Stein zu überqueren, die sich vor dem
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