Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Zelika aus ihrer unverhohlenen Teilnahmslosigkeit. Sie weigerte sich rundweg zu gehen. Als Saliman sie bedrängte, stand sie auf, schrie Flüche und schleuderte ihren Teller auf ihn. Hem versuchte zutiefst verlegen, sie zu beruhigen, und schließlich setzte sie sich mürrisch, hockte bockig da, presste die Lippen fest aufeinander und sprach kein Wort mehr.
Saliman beobachtete ihren Wutanfall schweigend und mit vor der Brust verschränkten Armen. Als sie letztlich verstummte, fragte er sie, ob sie denn wirklich wüsste, was ihr bevorstünde und wie gering die Hoffnung auf einen Sieg wäre.
Zelika funkelte ihn aufmüpfig an. »Das weiß ich«, knurrte sie.
»Ich bezweifle, dass du es wirklich verstehst«, entgegnete Saliman in leicht scharfem Tonfall. »Ich werde es dir erklären.«
Während der Großen Stille, so berichtete Saliman, war Turbansk von den Streitkräften aus Den Raven angegriffen, aber nie eingenommen worden. Ebenso wenig war, wie jedem in der Stadt düster im Hinterkopf herumging, Baladh je gefallen, auch nicht die uralte befestigte Stadt Jerr-Niken. Nun jedoch lag Baladh in Trümmern, und die Schwarze Armee marschierte durch Gefilde, in die sie nie zuvor eingefallen war. Jerr-Niken war vor sieben Jahren von Imank geplündert worden, dem Hexerhauptmann von Den Raven. Damals war in Suderain die Befürchtung aufgekommen, dass die lange vorhergesagte Rückkehr von Sharma, dem Namenlosen, Wirklichkeit wurde. Während der Großen Stille hatte Imank dem Namenlosen als Oberhauptmann gedient. Imank war ein Untoter mit großer Macht, ein Barde, der seinen wahren Namen für das Geheimnis der Unsterblichkeit eingetauscht hatte und nach dem Zusammenbruch der Finsternis weit in den Süden geflohen war. Danach hatte man jahrhundertelang nichts mehr von ihm gehört. Das von der Gewaltherrschaft und Sklaverei befreite Volk von Den Raven schloss Verträge mit Suderain und Annar ab und bediente sich über hunderte von Jahren des bardischen Modells einer zweigeteilten Herrschaft. Mehrere Jahrhunderte schien alles gut, und wenig störte den Frieden. Doch vor dreihundert Jahren waren die Barden von Den Raven, die der damalige König des Reichs der Spitzelei beschuldigte, in einem plötzlichen Umsturz bis dato ungekannter Rücksichtslosigkeit hingemetzelt oder verbannt worden. Die wenigen Barden, denen es gelang, in die Schulen in Suderain zu flüchten, brachten üble Kunde mit: Imank war nach Den Raven zurückgekehrt. In der Maske eines weisen und vertrauenswürdigen Beraters hatte der Untote sich beim König eingeschmeichelt, dessen Geist vergiftet und seine Gier, seine Lust zu beherrschen, ermutigt; und als seine Macht über den König uneingeschränkt war, hatte Imank die Falle1 für die Barden zuschnappen lassen. Danach hatte zwei Jahrhunderte lang eine Reihe von bedeutungslosen Königen und Despoten über Den Raven geherrscht, allesamt gelenkt von Imank und einer Gruppe Untoter, die aus der Verbannung in nicht kartografierten Gefilden südlich der Agaban-Wüste zurückgekehrt waren.
Seit Imank wieder in Den Raven weilte, war es Außenstehenden kaum gelungen, indas Reich einzudringen, und die wenigen waren mit Besorgnis erregenden Berichten zurückgekehrt. Das gesamte Reich war in eine Festung, das Volk in eine riesige Armee verwandelt worden. Von der Geburt bis zum Tod wurde jede Handlung jedes Menschen von den so genannten Allsehenden Augen beaufsichtigt, Untoten, die über verschiedene Gebiete herrschten, Arbeit zuwiesen und Strafen verhängten. Kein Aufbegehren, ob in Worten, Gedanken oder Taten, war zu belanglos, um gnadenlos ausgemerzt zu werden; das bloße Murmeln einer Beschwerde genügte für Folter in den Verliesen der Untoten, undwer sich offen gegen die Herrscher des Reichs aussprach, besiegelte damit sein Todesurteil.
»Ich bin selbst dort gewesen«, offenbarte Saliman. Sowohl Zelika als auch Hem blickten ihn darob verwundert an. »Allein durch den Versuch, nach Den Raven zu gelangen, setzt man sich dem Wagnis des Todes und der Gefahr von noch Schlimmerem aus.« Eine Weile schwieg er, das Gesicht von dunklen Erinnerungen überschattet. »Ich hoffe, nie dorthin zurückzukehren. Das ganze Reich gleicht kaum mehr als einem riesigen Kerker. Die Allsehenden Augen von Sharma sind mächtige Hexer und werden gehörig gefürchtet; sie besitzen magische Mittel, um Dinge zu sehen, abscheuliche Irrungen des Bardentums, an die man nicht einmal denken sollte. Ein Großteil des Landes ist vergiftet: Es gibt
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