Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Gegenden, in denen überhaupt nichts mehr wächst, und Wälder, die nachts rötlich schimmern. Sonderbare wilde Tiere streifen umher; sie verstehen die Hohe Sprache nicht, sondern wachsen dumm und seltsam auf; etwas stimmt nicht mit ihrem Geist, und ihre Gestalten sind missgebildet. Der Namenlose ist bei all seinen Tücken einfallsreich; ich bezweifle nicht, dass auch diese Tiere seinen Zwecken dienen.«
Während Saliman sprach, malte Hem sich die Landschaften aus, die er beschrieb. Den Jungen schauderte.
»Die Versorgung der Armeen erfolgt durch große Gehöfte, die allesamt von Sklaven bestellt werden«, fuhr Saliman fort. »Die Allsehenden Augen halten die Hände auf sämtliche Vorräte; sie selbst leben gut. Die Menschen hingegen darben, erhalten nur genug zum Überleben. Wer die Gunst der Untoten erringt, dem kann es natürlich wesentlich besser ergehen; einige, die Grin, leben in schändlichem Überschwang und sind selbst kleine Gewaltherrscher. Sie sind dem Namenlosen nützlich, und so duldet er sie … Aber nichts in Den Raven wird zum Vergnügen oder um der Schönheit willen angebaut oder hergestellt, und selbst den Müßiggang der Grin kennzeichnen Verderbtheit und Grausamkeiten.«
Saliman setzte ab, und Hem schluckte; die mulmige Furcht aus seinen Albträumen stieg in ihm auf. Die beiden Kinder hatten stumm gelauscht, während Saliman gesprochen hatte, Zelika mit gerunzelter Stirn, da sie sich anstrengen musste, um Salimans Annaren zu folgen. Sie beobachteten, wie Saliman sich einen Becher Wasser einschenkte und trank, ehe er fortfuhr.
Wir haben immer befürchtet, dass Imank lediglich die Rückkehr des Namenlosen vorbereitete«, sagte Saliman. »Seit fünfzig Jahren sind wir sicher, dass der Namenlose in Den Raven weilt, aber niemand in Annar wollte uns glauben. Wunschdenken trübte das Urteilsvermögen der meisten Barden, doch ich fürchte, das war noch das geringste Übel. Eine unterschwellige Verderbtheit hat sich in die Herzen vieler Schulen in Annar eingeschlichen, wenngleich ich nicht wusste, worin sie bestand, bis ich Enkir sah, den Obersten Barden von Annar.
Wenn wir gegen Den Raven marschiert wären, bevor das Reich erstarkt war, damals, als Imank lediglich kleine Siedlungen südlich von Jerr-Niken angriff, sähe die Lage heute vielleicht anders aus. Aber ich fürchte, als Jerr-Niken vor sieben Jahren geplündert wurde, war es bereits zu spät. Was wir demnächst erleben werden, ist der Höhepunkt eines von langer Hand geplanten Feldzugs der Finsternis, und das Licht ist schwächer denn je zuvor. Ich fürchte, alles wird den Weg der Finsternis gehen; das Beste, was wir hier tun können, ist unseren Rückzug hinauszuzögern. Diesmal will der Namenlose völlig sichergehen: Wenn die Finsternis uns erobert, wird ganz Edil-Amarandh so sein wie Den Raven, ein Ort der Tyrannei und Furcht, und Lieder, Weistum und Licht werden auf ungewisse Zeit aus dieser Welt verschwinden.«
Hem dachte an die knochigen Hände und kalten Augen der Untoten, die ihn aus dem Waisenhaus geholt hatten, und zappelte unbehaglich. Vor seinem inneren Auge zog ein lebhaftes Bild von Maerad vorbei, wie sie in Norloch über eine von Salimans übertriebenen Geschichten lachte. Maerad war wenig größer als Zelika und nur ein paar Jahre älter als Hem selbst. Und sie sollteden Sturz all dieses Grauens und dieser Macht herbeiführen? Zum ersten Mal geriet Hems uneingeschränktes Vertrauen in Maerad ins Wanken: Wenn selbst die Stärke Turbansks nicht reichte, um der Schwarzen Armee die Stirn zu bieten, was konnte seine Schwester dann tun? Beinah hätte er gefragt, wie Maerad sie alle retten sollte, biss sich jedoch rechtzeitig auf die Zunge; er fürchtete, Salimans Antwort würde alles andere als tröstlich ausfallen. »Dem also habt ihr beide entschieden, euch zu stellen«, sagte Saliman, diesmal auf Suderain, wobei er Zelika unverwandt ansah. »Der Hauptteil von Imanks Armee marschiert derzeit gen Turbansk. Obwohl wir bis zum letzten Soldaten kämpfen werden, glaube ich nicht, dass die Stadt gegen sie bestehen wird. Versteht ihr jetzt, warum ich sage, dass dies kein Ort für Kinder ist?«
Zelika beugte sich vor und spie ihm ihre Antwort entgegen: »Das Schlimmste, was sie tun können, ist, mich zu töten. Ich habe keine Angst.«
»Zelika, es gibt schlimmere Dinge als den Tod«, entgegnete Saliman. Seine Stimme blieb ruhig, doch ihr haftete eine seltsame Eindringlichkeit an.
»Das weiß ich«, gab Zelika zurück. Einen
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