Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
er. »Dafür ist es zu spät. Die Schwarze Armee …« Nach Worten suchend, fuchtelte er mit den Händen. »Die Schwarze Armee kommt schon bald.« Er schob die Spitze des Messers beiseite, und das Mädchen steckte es zurück in die Scheide. »Also - dein Name? Ich bin Hem.«
»Zelika«, erwiderte sie langsam. »Zelika aus dem Haus von II Aran.« Neugierig betrachtete sie Irc. »Was ist das für ein Vogel? Jedenfalls kein Falke.« »Er ist mein Freund«, erklärte Hem. »Sein Name ist Irc.« Abermals musterte er das Mädchen; nun fiel ihm auf, wie ausgemergelt ihre Züge wirkten, und er fragte sich, wann sie zuletzt eine anständige Mahlzeit gegessen hatte. »Bist du hungrig, Zelika?« Nach kurzem Zögern nickte sie.
»Komm mit. Ich besorge dir Essen.«
Hem beobachtete, wie Argwohn und Verlangen einen Kampf inZelikas Gesicht austrugen, doch der Hunger behielt die Oberhand. Als sie aufstand, stellte er fest, dass sie zierlich war, doch aus ihren Bewegungen sprach ein Stolz, der ihr ein wenig Anschein von Größe verlieh.
Er führte sie durch die Straßen in Richtung der Vorratskammer der Schule. Unterwegs dachte er nach. Vielleicht könnte sie in Salimans Haus bleiben: Es gab reichlich Gästezimmer, und er glaubte nicht, dass Saliman etwas dagegen haben würde. Sie könnte neue Kleider bekommen und sich waschen, und Hem könnte sich um die schwärende Wunde auf ihrer Wange kümmern. In seinem Zimmer hatte er eine Salbe. »Du stammst nicht aus Turbansk«, stellte das Mädchen nüchtern fest und unterbrach damit seine Gedankengänge.
»Nein, aus Annar«, gab Hem zurück. »Mein Suderain ist nicht so gut.« »Mein Annaren auch nicht«, sagte sie mit einem scheußlichen Akzent auf Annaren und lächelte. Einen Lidschlag lang erblickte Hem zwei Grübchen auf ihren Wangen, und ein schelmischer Glanz tanzte in ihren Augen, doch beides verschwand so rasch, wie es aufgetaucht war. Neugierig musterte er sie.
»Warum bist du geblieben?«, wollte er wissen. »Jeder sagt, dass Turbansk - dass wir nicht…« Abermals von seinem mangelnden Wortschaft zu Fall gebracht verstummte er.
»Mir ist egal, ob ich sterbe«, tönte Zelika. »Ich will zuvor nur so viele der Schwarzen töten, wie ich kann.« Erneut sah Hem sie an und ließ die eigenartige, unerschütterliche Entschlossenheit in ihren Zügen auf sich wirken, die an Wahnsinn grenzte. Er hatte noch nie einen Menschen etwas mit mehr Überzeugung in der Stimme sagen hören, und etwas, das Furcht sein mochte, schnürte ihm das Herz zu.
»Warum?«, fragte er, obwohl er glaubte, die Antwort bereits zu kennen. Sie bedachte ihn mit einem unergründlichen Blick, als wöge sie seine Fähigkeit ab, ihre Beweggründe zu verstehen. »Meine Mutter, mein Vater, meine Brüder, meine Schwestern, meine Tanten, meine Onkel, meine Vettern und Basen, meine Großmutter …« Barsch zog sie sich die Finger über die Kehle, wobei ihre Augen vor Hass und Kummer loderten, während ihr Tonfall ungerührt und gefühlskalt blieb. »Ich habe es mit angesehen.
Mein Heim wurde niedergebrannt. Ich werde das Haus von II Aran rächen.« Hem schwieg; darauf gab es nichts zu erwidern. »Warum sollte ich weiterleben wollen?«, fragte Zelika. »Ich habe nichts mehr, wofür es sich lohnt. Ich werde gegen die Schwarzen kämpfen und so viele töten, wie ich kann.« »Dann brauchst du ein besseres Messer«, meinte Hem. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. In der Vorratskammer erhielt Hem von Soron eine Pflaume und eine kleine Schale mit kaltem Dohl. Er stellte keine Fragen, obwohl er das Mädchen neugierig anstarrte. Hem und Zelika setzten sich an das Ende eine£ langen Tisches im Speisesaal, und er beobachtete, wie sie aß.
»Du solltest nicht so schlingen«, mahnte er sie. »Davon wird dir schlecht.« Mit Gesten tat Hem so, als müsste er sich übergeben. Zelika erwiderte nichts, aß aber gemessener weiter; zuvor hatte sie den Dohl heißhungrig in sich hineingeschaufelt. Als die Schale leer war, schaute sie fragend zu Hem auf. Offensichtlich wollte sie mehr, bat jedoch nicht darum.
»Wie lange, seit du gegessen hast?«, erkundigte er sich.
»Ich denke … zwei, drei Tage«, antwortete Zelika.
»Genug für jetzt«, gab Hem streng zurück. »Mehr ein wenig später.«
Zu seiner Überraschung widersprach sie ihm nicht. »Ich habe versucht, auf dem Markt ein bisschen Brot zu stibitzen, aber der Mann am Stand hat mich gesehen und gejagt. Ich rannte und rannte, deshalb bin ich mit dir
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