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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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dem nicht so wäre?«
    »Vielleicht muss er das einfach«, erwiderte Zelika. »Vielleicht würde er sonst verzweifeln.«
    Angesichts Zelikas Zweifel zuckte Zorn in Hem auf. Mit geballten Fäusten funkelte er sie an. »Saliman ist kein Narr«, fauchte er. »Du solltest ihm mehr Achtung entgegenbringen.«
    »Ich achte Saliman«, antwortete sie, das Gesicht in den Schatten. »Daran liegt es nicht. Aber Hem, weißt du, ich habe keine Hoffnung.« Damit schaute sie auf, sah Hem unverwandt an, und ausnahmsweise wirkte ihr Blick nicht verschleiert. Mit seiner bardischen Wahrnehmung erkannte Hem zum ersten Mal das wahre Ausmaß ihrer inneren Verheerung und sog scharf die Luft ein; die Trostlosigkeit in ihr fühlte sich schier unerträglich schmerzlich an. »Ich habe überhaupt keine Hoffnung. Ich bin nicht wegen Hoffnung hier.«
    »Was willst du dann?«, fragte Hem.
    »Rache«, antwortete sie mit tonloser Stimme. »Rache und Tod. Mehr gibt es für mich nicht.«
    Nach jener Unterhaltung verspürte Hemeine neue Verbundenheit zu Zelika, was jedoch nicht bedeutete, dass er sie deshalb als weniger ärgerlich empfand. Als Lehrmeisterin erfüllte sie all seine Befürchtungen; sie erwies sich als die mit Abstand gnadenloseste, die er bislang ertragen musste. Saliman hatte ihm mit ungewöhnlicher Strenge aufgetragen, hart an seinem Suderain zu arbeiten, und allein sein Respekt vor Saliman hielt ihn davon ab, sich gegen Zelika aufzulehnen, wenngleich es ihm schwerfiel. Zelika nahm ihre Abmachung mit Saliman ungemein ernst. Jeden Morgen gab es Unterricht, und den Rest der Zeit gestattete Zelika Hem nicht, etwas anderes als Suderain zu sprechen. Zudem zeigte sie sich äußerst penibel; sie ließ ihn einzelne Wörter so lange wiederholen, bis er sie komplett richtig aussprach, was sich bisweilen schier endlos hinziehen konnte, und sie ließ ihn die Abwandlungen von Hauptund Zeitwörtern herunterleiern, bis er vermeinte, sein Kopf müsste zerspringen. Danach forderte sie ihn stets mit ernster Miene auf, sich hinzusetzen und eine >Unterhaltung< mit ihr zu führen. Diesen Teil des Unterrichts empfand Hem als ärgerlicher als fast alles andere, weil es sich lächerlich und gezwungen anfühlte. Dementsprechend fiel ihm nie etwas ein, das er sagen könnte. Er begann damit, sich einen Spaß daraus zu machen, den verschrobensten Unsinn von sich zu geben, der ihm in den Kopf kam, und anschließend einfallsreich über Zelika herzuziehen. Sie besaß bewundernswerte Selbstbeherrschung, wenn ihr danach war, sie einzusetzen; zumeist beschränkte sie sich darauf, seine Grammatik und Aussprache zu verbessern. Nur einmal schlug sie ihn und brach unverhofft in Tränen aus, als er sie eine >dürre Katze< nannte. Hem zeigte sich verwirrt darüber: Es war beileibe nicht das Schlimmste gewesen, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Hem brauchte eine ganze Weile, um herauszubekommen, dass es die Beschimpfung gewesen war, die ihre Brüder verwendet hatten, wenn sie Zelika hänseln wollten.
    Irc langweilte der Unterricht. Er sorgte für ein wenig Belustigung, indem er gelegentlich auf Zelikas Kopf flatterte und versuchte, ihr die Haare auszureißen, oder indem er unter ihren Stuhl kroch und sie zu den ungünstigsten Zeiten in die Füße zwackte. Als er in Ungnade fiel, weil er in eine ihrer Sandalen gemacht hatte, in die sie daraufhin schlüpfte, wurde er endgültig vom Unterricht verbannt. Was Hem zutiefst bedauerte, vor allem nach dem Vorfall mit der Sandale, den er unheimlich lustig fand; doch er lernte ungleich schneller, wennIrc nicht zugegen war.
    Tatsächlich war Hem dankbar für die Ablenkung, die der Unterricht bot, wenngleich er dies Zelika gegenüber niemals zugegeben hätte. Zumindest schmälerte er die Langeweile und vertrieb zeitweilig die Furcht, die ansonsten seine Gedanken ausfüllte. Er bedauerte nie, dass er nicht mit den anderen Schülern die Stadt verlassen hatte, doch das hinderte ihn nicht daran, eine wachsende Beklommenheit zu empfinden. So sehr ihn die Ankunft der Schwarzen Armee ängstigte, manchmal wünschte er, sie möge sich beeilen, und sei es nur, um die sich steigernde Spannung zu beenden, die ganz Turbansk in einer seltsamen, furchtsamen Erwartungshaltung lähmte. Es schien, als hielte die Stadt am Rande des Untergangs zitternd den Atem an.

 
Der Wall Von Dara
    Hem träumte. Er befand sich oben im Roten Turm, und neben ihm stand Maerad. Die beiden blickten über den Gau von Turbansk, doch in seinem Traum konnte Hem viel weiter

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