Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
aufgegangen, zumal die Luft noch herb und kühl war. Während er am Höhleneingang stand, sog er gierig die frische Luft ein, zu überwältigt, um etwas zu sagen. Tatsächlich sprach eine lange Zeit niemand von ihnen. Im gefilterten Licht erkannte Hem, wie erschöpft Saliman wirkte: Unter dem Dreck und Blut war seine Haut aschgrau. Schwer ließ er sich zu Boden plumpsen, holte eine Flasche Medhyl aus seinem Bündel hervor, trank einen Schluck und reichte das Getränk herum. Nach dem Medhyl hörten Hems Glieder auf, so heftig zu zittern. Soron saß mit dem Rücken zu den anderen und antwortete nicht, als Hem ihn ansprach. Dabei fielHem ein, dass Soron sich nach zwei Barden erkundigt hatte, die bei ihnen sein sollten, jedoch nicht gekommen waren; es mussten Freunde von Soron gewesen sein, um die er nun trauerte. Zelika lehnte sich gegen einen Baumstamm und schaute zu den kleinen blauen Flecken auf, die durch das Blättergewirr lugten.
Das Erste, was Hem tat, war, die nassen Kleider zu wechseln. Er hockte sich unter einen Baum und spürte, wie die tödliche Kälte der Höhlen allmählich aus seinem Körper wich. Irc, der zu einem Baum außer Sicht geflogen war, kehrte zurück, kauerte sich auf seine Schulter und zwackte ihn ins Ohr. Das hat mir nicht gefallen, sagte er. Bring mich nie dorthin zurück.
Es war besser, als in Stücke geschnitten zu werden, entgegnete Hem. Aber es hat mir auch nicht gefallen.
Es ist noch nicht vorüber, fuhr Irc fort. Es wird etwas geschehen.
Was?, fragte Hem. Was wird geschehen?
Ich weiß es nicht, antwortete der Vogel. Die Erde schreit. Irc sprang rastlos von seiner Schulter, hopste wieder hinauf und flatterte schließlich erneut zu den Bäumen empor. Ircs Verhalten ließ Hem zappelig werden; es erinnerte ihn an das Rumoren, das er unter der Erde gehört hatte. In dem Versuch, sein Unbehagen abzuschütteln, schaute er zu Saliman hinüber, der auf dem Rücken lag und zum Himmel emporstarrte. »Saliman«, sagte er. »Was ist dort draußen auf dem Lamarsan-Meer geschehen? Konntet ihr den Seeweg räumen?«
Eine Zeit lang antwortete der Barde nicht, dann seufzte er schwer und setzte sich auf. »Ja, Hem, konnten wir«, gab er schließlich zurück. »Die letzten Verteidiger befinden sich mittlerweile, wie ich hoffe, auf dem Weg zum Hafen von Zimek, von wo aus sie sich nach Car Amdridh zurückziehen können. Es ist alles andere als eine beneidenswerte Reise, zumal ihnen die Schwarze Armee auf den Fersen ist, aber zumindest ist der Weg frei, und ich hoffe, wir konnten ihnen ein wenig Zeit erkaufen.« Während er sprach, legte er seinen Kittel ab und begutachtete eine hässliche Wunde an seinem Unterarm. Hem stand auf, kramte in seinem Bündel nach Heilsalbe und einem Verband und kniete sich nieder, um den Barden zu versorgen.
Zelikas Züge hellten sich auf. »Also hat es geklappt«, meinte sie.
»Ja, das hat es; aber es kam uns teuer zu stehen. Von den vierzig Schiffen, die auszogen, um Imanks Seestreitmacht zu zerstören, kam weniger als die Hälfte in den Hafen zurück. Und auf jedemjener Schiffe befanden sich mindestens achtzig Krieger und Ruderer.« »Aber wir haben gewonnen«, beharrte Zelika mit wilder Freude. »Das allein zählt.« Saliman suchte ihren Blick. »Zelika«, sagte er mit einer Stimme, in der ein harter Unterton mitschwang. »Ich bin ein Krieger aus Notwendigkeit. Ich kämpfe nicht, weil ich den Krieg liebe oder mich an Waffen erfreue, sondern weil ich muss. Wir haben auf dem Meer einen Sieg errungen, doch freuen kann ich mich darüber nicht; es war ein bitterer Triumph. Viele, viele Menschen starben, damit noch mehr andere weiterleben konnten. Das ist eine grausame Logik. Ich finde mich damit ab, aber sie gefällt mir keineswegs.«
Zelika blinzelte verwirrt und wandte den Blick ab.
Saliman fuhr fort. »Ich glaube, dass wir verraten wurden. Wir wurden erwartet - in der Dunkelheit und im Regen wurde unsere Flotte umzingelt. Alles passte zu gut zusammen: Jemand kannte unsere Strategie in- und auswendig. Eine Zeit lang dachte ich, wir hätten völlig versagt. Doch das haben wir nicht, selbst als wir bei der Rückkehr in den Hafen feststellen mussten, dass zwei schwarze Schiffe die Absperrkette überwunden hatten und Soldaten Brände auf einigen Schiffen und auf den Märkten legten. Dabei wurde Palindi getötet. Er hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn läge ich bereits erkaltet im Hafen von Turbansk. Er wurde durch Verrat ermordet.« Salimans Stimme wurde heiser, und er
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