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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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des Gaus mittlerweile verlassen war und nur leicht bewacht wurde. Wenn sie unter einem Glimmerschleier reisten, sollten sie keine Aufmerksamkeit erregt haben. »Was ist mit dir, Hekibel?«, fragte Saliman. »Was möchtest du tun?« »Ich komme mit euch«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Das heißt, wenn ihr mich mitnehmt.«
    »Ich fürchte nur, dass es dich bereits zu viel gekostet hat, Hem und mir zu begegnen.« Saliman setzte ab. »Wie du gestern gesagt hast, ist abgesehen von den Pferden jeder tot, der mit dir gereist ist. Ich fühle die Last und den Kummer dessen und hege die Befürchtung, dass es dich das eigene Leben kosten könnte, wenn du bei uns bleibst.«
    Hekibel setzte sich gerade hin und sah Saliman in die Augen. »Ja, all das ist mir durchaus bewusst«, sagte sie. »Wie sollte es anders sein? Aber Saliman, für mich ist es bereits zu spät. Ich denke, ich muss dies bis zum Ende durchstehen, zum Guten oder zum Bösen.«
    »Wenn du möchtest, kannst du mich nach Inneil begleiten«, schlug Grigar vor. »Ich danke dir«, gab Hekibel zurück. »Aber ich denke, mein Pfad führt woanders hin.«
    Hem musterte Hekibel neugierig; er fand, dass sich über Nacht eine Veränderung in ihr vollzogen hatte. Sie sah zwar blass und irgendwie sehr zerbrechlich aus, doch ihre Miene hatte sich verhärtet; sie barg eine Entschlossenheit, die er zuvor nicht darin gesehen hatte. Er wollte ihr sagen, für wie tapfer er sie hielt, doch aus unerfindlichem Grund wollten die Worte ihm nicht über die Lippen dringen. »Nun denn«, meinte Grigar. »Ich selbst werde durch den Wagwald reisen. Ich hoffe, die Geister des Waldes werden mir freies Geleit gewähren.« Fragend blickte er zu Marajan, die ernst nickte.
    »Ich denke, der Wald wird sich nicht als feindselig erweisen«, sagte sie. »Was euch drei angeht, ihr müsst so rasch reisen, wie ihr könnt. In eurer Zeit verfinstern sich die Stunden, wenngleich ich nicht zu sagen vermag, ob die Welt sich einer endlosen Nacht zudreht oder die Hoffnung auf ein neues Morgen finden wird. In jedem Fall begleitet euch all meine Liebe. Besonders dich, junger Heiler. Nachdem alles vorüber ist, wird großer Bedarf an Heilkunst bestehen.«
    Hem begegnete Marajans klarem Blick, und in seinem Herzen regte sich eine plötzliche, unverhoffte Liebe. Er wusste nicht, was er erwidern sollte, doch es spielte keine Rolle. Er wusste, dass Marajan seine tiefsten Sehnsüchte las, sie verstand und sie allesamt segnete.

 
Teil vier
Die Toten
     
    Ach! Ach! Die Geister nahen nun, der König fahl, das bleiche Kind,
    Und Barden, deren tote Hand nur Leere bringt.
    Kein Feuer erwärmt das Schattenheer, das unter kalten Himmeln geht,
    Wo ihrer grausen Schreie Hall der Wind verweht.
    Der Tod nahm ihrer Augen Glanz, verdorrt ihr zartes Fleisch zu Bein,
    Bis endlich jeder einsam steht für sich, allein.
    Der Stimmen Wirrwarr zerrt an mir mit Pein, die heiß wie Flammen brennt,
    Und keiner ihrer Reihen Zahl und Namen kennt.
     
    Aus Die Gesänge der Elidhu, Horvadh von Gant

 
     
Träume
    Es war eine Welt weder der Finsternis noch des Lichts, ein endloses Zwielicht, bewohnt von undeutlichen Formen in ständiger Bewegung. Nichts schien seine Gestalt zu wahren. Stimmen ertönten, deren Ränder vor Sternenlicht zu schimmern schienen, leise Wiegen- und Klagelieder, die aus der Stille traten wie junge Mädchen mit abgewandten Gesichtern. Überall waren Male von Händen, als atmete jede Oberfläche die Wärme eines Körpers aus, der sie gerade berührt hatte. Nichts ließ sich deutlich erkennen, ständig trieben wabernde Schleier aus Licht und Schatten umher und verschwanden, und das Auge konnte sich auf nichts heften. Die Erde schien nicht mehr fest zu sein, sondern ein Nebel, der sich mit den Dämpfen der Luft vermischte. Und überall die Stimmen, die gestaltlosen Echos der Toten…
    Ruckartig erwachte Maerad und spürte kalten Schweiß, der ihr über den Rücken und die Stirn rann. Sie wusste nicht, ob sie aufgeschrien hatte; sie hatte den Eindruck, dass der Widerhall ihrer Stimme noch in der Nachtluft hing, aber vielleicht handelte es sich bloß um einen Überrest ihres Traums. Sie zog die Decke eng um sich, setzte sich auf, fühlte die raue Wolle an ihrer Wange, das Kribbeln trockenen Grases, den harten Boden an ihrem Gesäß - dies waren greifbare Dinge aus der Welt der festen Gegenstände, und Maerad empfand ihre Berührung als beruhigend.
    Sie starrte himmelwärts, suchte bei den Sternen nach Trost, wie sie es

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