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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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die Läden einfielen. Neben dem Bett stand eine polierte Holztruhe mit einer Vase voller Lilien darauf, an deren braunen Spitzen gerade erst blaue Knospen sprossen. Dann drang die Erinnerung durch: Dies war Marajans Haus, und zum ersten Mal seit geraumer Zeit schwebte er nicht in unmittelbarer Gefahr. Hem sprang aus dem Bett, schwang die Läden auf und blickte über ein grünes Feld, das zu einem Bach hin abfiel. Weiße Kühe grasten friedlich auf der üppigen Wiese, und die untergehende Sonne tauchte alles in ein sattes, honigfarbenes Licht. Verwundert starrte Hem hinaus: Der Gegensatz zu dem Desor, das er kannte, war beinahe zu groß. Dann erkannte er, dass er Maerad zum ersten Mal, seit sie ihn gerufen hatte, nicht spüren konnte. Das Gefühl der Dringlichkeit war verschwunden, zusammen mit jeder Spur ihrer Gegenwart. Eine Weile grübelte er beunruhigt darüber nach. Vermutlich, so dachte er, lag es daran, dass sie in einer früheren Zeit weilten, in der sie beide noch nicht geboren worden waren…
    Irc flatterte auf den Fenstersims, bauschte wohlig das Gefieder und wollte gerade zu einem Erkundungsflug abheben, als Hem ihn aufhielt.
    Das ist Magie, sagte er. Ich weiß nicht, wie der Zauber wirkt. Du könntest da hinausfliegen und nie zurückkommen.
    Hier ist es aber schöner als dort, wo wir vorher waren, gab Irc etwas mürrisch zurück.
    Ich weiß, erwiderte Hem. Frag zuerst Marajan. Du bist zwar ein lästiger Kerl, trotzdem würde es mir zutiefst widerstreben, dich zu verlieren.
    Irc zwackte ihn ins Ohr, blieb aber. Hem sah, dass seine Kleider gewaschen und geflickt worden waren, während er geschlafen hatte, und nun ordentlich zusammengelegt am Bettende lagen. Er zog sich an und fand, geleitet vom Geräusch mehrerer Stimmen, den Weg hinunter in die Küche. Saliman, Grigar und Hekibel saßen um den Tisch, Marajan jedoch war nicht zugegen. Auf dem Tisch standen Brot, Wein und Bier, und der Duft, der aus dem Ofen drang, ließ erahnen, dass sich eine weitere köstliche Mahlzeit anbahnte. Hem schnupperte anerkennend und nahm bei seinen Gefährten Platz.
    »Hier ist es besser, oder?« Grigar lächelte ihn über den Tisch hinweg an, und zum ersten Mal erwiderte Hem die Geste. Bisher hatte er Grigar nicht wirklich vertraut - ungeachtet Salimans Beteuerungen hatte er immer noch gedacht, er könnte sie in eine Falle führen.
    »Ja, das ist ein wunderbarer Ort«, bestätigte Hem. »Aber wo ist Marajan? Und wir sind in der Vergangenheit, oder? Irc wollte sich draußen ein bisschen umsehen, aber ich habe ihm gesagt, er soll in der Nähe bleiben. Ich will nicht, dass er sich verirrt.«
    »Irc kann nach Herzenslust die Gegend erkunden, solange er zurück ist, bevor wir aufbrechen«, sagte Grigar. »Dieses Haus befindet sich nicht auf einer verzauberten Zeitinsel, sondern in seiner eigenen Zeit. Wir waren diejenigen, die den Schritt zurück getan haben. Etwa hundert Jahre. So hat Desor einst ausgesehen … Mir fällt immer noch schwer zu glauben, wie es sich verändert hat.«
    Hem teilte Irc mit, dass er losfliegen dürfe, gab ihm allerdings die strenge Anweisung mit, sofort zurückzukehren, sobald er gerufen würde. Damit ging er hinaus auf den kopfsteingepflasterten Hof. Freudig erhob sich Irc in die Lüfte des schillernden zwielichtigen Himmels. Lange würde er nicht ausbleiben, dachte Hem, zumal es bald Zeit fürs Abendessen sein würde. Eine Weile beobachtete er die Krähe und nahm die beschaulichen Geräusche des Abends in sich auf: das leise Bimmeln von Kuhglocken, das harmlose Gezänk von Vögeln, die sich zur Ruhe begaben, das rauschende Seufzen der Bäume. Die Friedlichkeit der Umgebung füllte ihn langsam aus, und er seufzte vor tiefer, unbeschwerter Wonne. Dann schaute er über das Feld und erblickte Marajan, die mit einem Eiseneimer auf ihn zukam. Sie war für Landarbeit gekleidet. Das Haar hatte sie zu einem unordentlichen Dutt im Nacken zusammengebunden, und ihr Kleid war um die Hüfte hochgesteckt, sodass schwere Stiefel darunter zum Vorschein kamen. Als sie Hem erspähte, lächelte sie.
    »Deine Krähe sieht glücklich aus«, meinte sie, als sie ihn erreichte. »Hast du gut geschlafen, Hem? Du wirkst erholt.«
    »Ja«, antwortete Hem inbrünstig. Im Beisein von Marajan fehlten ihm die Worte. Ihre ernste Schönheit und die offene, großmütige Klarheit ihres Blickes ließen ihn sich schüchtern fühlen. Sie schien ihm beinah der bardischste Mensch zu sein, den er je kennen gelernt hatte, und er war in seinem

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