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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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abzuschätzen, was hier geschieht. Dennoch gäbe ich viel dafür zu erfahren, wie sie diesen Bann an meiner Magie vorbeigeschleust haben. Das verletzt meinen Stolz.«
    »Wenn dies das Schlimmste bleibt, was dir heute Nacht widerfährt, mein Freund, denn bemitleide ich dich nicht«, gab Saliman zurück.
    »Pst.« Maerad bedachte die Barden mit einem strengen Blick, ehe sie sich wieder den Untoten zuwandte. Saliman zog eine Augenbraue hoch und schaute über ihren Kopf hinweg zu Cadvan, der beinahe lächelte.
    Maerad wartete, bis die Untoten so nahe kamen, dass sie sicher ein konnte, sie alle auf einmal zu vernichten. Ihre Verachtung für sie lag ihr wie Übelkeit im Magen; in diesem Augenblick verspürte sie kein Mitgefühl, keine Regung ihres Gewissens, keine Teilung ihres Willens. Sie hegte keinerlei Zweifel daran, dass die Untoten beabsichtigten, ihren Bruder und ihre Freunde zu töten nd sie selbst gefangen zu nehmen. Diese Kreaturen verdienten keine Gnade.
    Plötzlich, wie aus dem Nichts, wurden die Untoten für das bloße Auge sichtbar. Sie mussten einen von Cadvans Schilden durchbrochen haben, der sie dabei der Hexerei beraubt hatte, mit der sie sich bis dahin verbargen. Im selben Moment, in dem die Untoten sichtbar wurden, erspähten sie ihre Beute, scharten sich dichter zusammen und trieben die Pferde schneller an.
    Maerad sog den Atem ein. Nun, da sie die Untoten sehen konnte, erschienen sie wesentlich näher, und sie spürte, wie die Barden neben ihr ob der Gewalt des bösartigen Willens zusammenzuckten, der sich mit tödlicher Absicht auf sie richtete. Mae-ad konnte die roten Lichter sehen, die in den Schatten ihrer Kapuzen loderten, ebenso die knochigen Hände, welche die Zügel der Pferde hielten; außerdem erkannte sie, dass sie auf keinen lebendigen Rössern saßen, sondern auf Aas, zusammengehalten und angetrieben vom Willen derer, die sie ritten. Zum ersten Mal spürte sie, wie Grauen in ihr Herz kroch.
    Mittlerweile bildeten die Untoten einen Halbkreis, und sie wusste, dass die mächtigsten Hexer in der Mitte reiten würden wie die Schlusssteine eines Bogens. Sie hatten unverkennbar vor, das Lager zu umzingeln, sobald sie nah genug waren, damit es keine Fluchtmöglichkeit gäbe. Hochmütig, ihres Erfolges sicher, ritten sie auf sie zu, und Maerad schürzte die Lippen.
    Sie schloss die Augen und suchte die Untoten in der Schattenwelt, wo sie sich als einfach zu finden erwiesen: Sie waberten vor ihr, gehaltlose Schemen wie Dämpfe oder giftiger Rauch. Sie waren ihrer nicht gewahr. Untote konnten die Ebenen nicht betreten, in denen sie sich nun bewegte.
    Langsam holte Maerad tief Luft. Es war ein Atemzug, zu dem kein lebendiger Mensch in der Lage gewesen wäre: Sie sog die eisigen Nebel ein, die über den Bergen hingen, die wilden Meeresstürme, die milden Frühlingsbrisen, die über das Hohle Land strichen, die Sommerwinde und die hohe, stille Luft unterhalb der Sterne; all das zog sie in die Tiefe ihres Wesens. Dann blies sie es mit gespitzten Lippen, als wollte sie eine Flöte spielen, den rauchigen Schemen der Untoten entgegen.
    Kurze, panische Wirren entstanden, als die Untoten versuchten, sich der Gewalt von Maerads Atemzug zu widersetzen, doch an diesem Ort waren sie machtlos. Binnen weniger Lidschläge lösten sich die schwadenartigen Dämpfe auf, die ihre Seelen darstellten, und verflüchtigten sich, als hätte es sie nie gegeben. Maerad schlug die Augen auf, und die Untoten waren verschwunden. An ihrer Stelle befanden sich vierzehn kleine Haufen aus Knochen und zerlumpten Gewändern, von denen ein leichter Gestank verwesenden Fleisches aufstieg, den die milde Brise den Barden zutrug. Maerad lächelte.
    Saliman war sprachlos; ihm stand der Mund sperrangelweit offen. Cadvan räusperte sich, versuchte zu sprechen und verstummte stotternd. Er räusperte sich erneut.
    »Beim Licht«, stieß er hervor, als er sich in den Griff bekommen hatte. »Ich finde, das war noch schlichter und wirtschaftlicher, als einem Sturmhund ein Wiegenlied vorzusingen, Maerad. Aber ich wünschte, ich hätte gewusst, dass du Untote nur anzuhauchen brauchst, um sie loszuwerden. Das hätte mir ein paar Narben erspart.«
    »Die Nacht ist wieder rein.« Maerad wandte sich mit funkelnden Augen den Barden zu. Die Blässe ihrer Züge wurde von roten Fieberflecken zurückgedrängt, die hoch an den Wangenknochen prangten.
    »Das ist nicht möglich«, sagte Saliman langsam. »Sosehr ich Untote hasse, ich bin nicht sicher, ob ich

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