Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
die sie respektieren konnte. Was sie an den Untoten mehr als alles andere wahrnahm, war eine zerstörerische Nichtigkeit, eine Kleinheit ihres Wesens, ob der sie sich von der Großzügigkeit des Lebens entfernt und stattdessen die Leere bloßer Herrschaft und Unterjochung gewählt hatten.
Maerad zählte sie. Vierzehn Untote ritten langsam und zielstrebig auf das Lager zu. Sie vermutete, dass Cadvans Banne sie verlangsamten, andernfalls hätten sie wahrscheinlich bereits angegriffen.
Sie stand da und wartete, verspürte keine Dringlichkeit. Ihr Körper wirkte stärker, und ihre Glieder zitterten nicht mehr so heftig. Dann blickte sie zu ihren Freunden, und ihr Gewissen regte sich. Auch wenn Maerad selbst sich nicht fürchten mochte, sie verspürten keine solche Beruhigung. Hekibels Augen, der einzige Teil ihrer selbst, der etwas auszudrücken vermochte, offenbarten blankes Grauen.
»Habt keine Angst«, sprach sie laut aus und vollführte eine seltsame Geste mit den Händen. Sogleich zerbrach der Bann, und alle vier sackten vor Erleichterung darüber zusammen, aus ihrer entsetzlichen Erstarrung befreit zu sein. »Ich danke dir, Maerad«, sagte Cadvan und rieb sich den Hals. »Das war ein grässlicher Augenblick. Von Untoten überrascht… Ich könnte ausspucken!« »Es sind vierzehn«, erklärte Maerad. »Sie reiten langsam. Ich vermute, deine Magie hemmt sie; trotzdem ist es ihnen gelungen, diesen Bann durch all deine Zauber zu schleusen.«
Hekibel sog scharf die Luft ein. »Vierzehn?«, stieß sie eingeschüchtert hervor. »Wenn sie von Cadvan geschaffene Zauber zu durchbrechen vermögen, muss eine große Macht unter ihnen sein.« Saliman zog das Schwert und betrachtete es nüchtern.
»Sie werden uns nichts tun«, sagte Maerad. »Das können sie nicht.« Saliman starrte sie erstaunt an, dann schaute er zu Cadvan, der leicht nickte. Er räusperte sich. »Naja, trotzdem finde ich, dass Hekibel und Hem vielleicht aus dem Weg gehen sollten …«
»Ich mag Untote nicht«, brachte Hem mit schwerer Zunge hervor. Er rang gegen ein schleichendes Grauen; vor seinem geistigen Auge zogen lebhafte Erinnerungen an die Untoten in Edinur und jene in Sjug’hakar Im auf. »Um ehrlich zu sein, bin ich hier ziemlich nutzlos.«
Damit ergriff er Hekibels Hand und zog sie von den anderen Barden weg. Sie sagte nichts. Zuerst schien sie sich ihm zu widersetzen, als wäre sie vor Schreck an Ort und Stelle festgewachsen, dann jedoch ließ sie sich von Hem in die behelfsmäßige Steinzuflucht ziehen, die Maerad und Cadvan die vergangene Woche zu ihrem Heim gemacht hatten. Kaum befanden sie sich darin, kauerte sie sich zu Boden und schlang die Arme um sich. »Untote sind grässlich«, sagte Hem und versuchte zu lächeln, um sie zu beruhigen. »Aber wenn Maerad sagt, dass uns nichts geschehen wird, schweben wir nicht in Gefahr.«
Hekibel schaute zu ihm auf, erwiderte jedoch nichts. Die nackte Angst in ihren Zügen bewog Hem, sich neben sie zu knien und ihre Hände zu ergreifen. Er wollte ihr sagen, wie leid ihm die Schwierigkeiten taten, in die sie durch ihn geraten war, aber die Worte erstarben ihm im Mund. Hekibel begegnete seinem Blick, dann legte sie die Arme um ihn, und er spürte das Zittern ihres Leibes. Er erinnerte sich daran, dass Hekibel noch nie die Nähe von Untoten erfahren hatte, wenngleich sie schon deren Werk gesehen hatte; und da sie nicht die Verteidigung von Barden besaß, war sie vermutlich anfälliger für die Verzweiflung, mit der ihre Gegenwart den Geist erfüllte.
Maerads Augen folgten ihrem Bruder zu der Zuflucht, dann wandte sie sich wieder der Richtung zu, aus der die Untoten nahten. Saliman und Cadvan bezogen beiderseits von ihr Stellung.
»Also, Maerad«, ergriff Saliman mit einem schiefen Lächeln das Wort. »Wie sollen wir uns verteidigen? Ich muss gestehen, ich sehe vor mir nur eine Furcht erregende Schlacht.«
»Es gibt nur jene, die wir sehen«, gab Maerad abwesend zurück. Sie bündelte all ihre Aufmerksamkeit vor sich. »Sie können keine weitere Hexerei durch Cadvans Zauber schleusen - ich glaube, das haben sie bereits versucht. Und wahrscheinlich wissen sie noch nicht, dass ihr erster Bann gebrochen wurde. Jedenfalls scheinen sie es nicht eilig zu haben.«
»Nein«, sagte Cadvan und spähte durch die Düsternis. »Meine Wälle bereiten ihnen kaum Schwierigkeiten - sie durchbrechen sie im Reiten. Meine Schutzbanne halten noch, soweit ich das erkennen kann; sie sollten nicht in der Lage sein
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